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Stahlo-Geschäftsführer Oliver Sonst hat ein klares Ziel vor Augen: Er will mit seinem Unternehmen der Top-„Green-Steel-Provider“ werden.
Foto: Gerhard Maier
Stahlo-Geschäftsführer Oliver Sonst hat ein klares Ziel vor Augen: Er will mit seinem Unternehmen der Top-„Green-Steel-Provider“ werden.

Stahl

„Wir wollen Green-Steel-Provider werden.“

Stahlhersteller und Stahlhandel sehen sich mit Preisverfall und der drängenden Umweltproblematik konfrontiert. Stahlo-Geschäftsführer Oliver Sonst erklärt im BLECH-Exklusivinterview, wie sein Unternehmen diese Herausforderungen meistern will.

Keine leichte Zeit für Stahlhersteller- und händler. Oliver Sonst von Stahlo zeigt die Besonderheiten des Unternehmens auf und erklärt, wie Stahlo sich für die Nachweispflicht des CO2 Footprints aufstellt.

Herr Sonst, Stahlo unterscheidet sich ja etwas von herkömmlichen Stahlservicecentern. Was ist denn das Besondere bei Stahlo?

Wie alle anderen auch, liefern wir Spaltbänder, Tafeln und Zuschnitte. Unsere Spezialität ist es, dass wir auch Formplatinen liefern können. Das bedeutet, dass wir werkzeuggebundene Konturen schneiden können - hauptsächlich für den Automobilbereich. Die Kunden können mit den Platinen, ohne großes Coil Handling, direkt auf ihre Umformpressen gehen und daraus ihre Bauteile formen. Wir nutzen dazu zwei der wahrscheinlich stärksten Platinenschneidanlagen in Europa. Dort können wir hochfeste Stähle bis 1.450 Megapascal schneiden, aber auch sensible lackierfähige Oberflächen verarbeiten. Unsere beiden Schneidanlagen verfügen über eine Presskraft von 800 beziehungsweise 1.000 Tonnen.

Und wo liegt der Vorteil für Ihre Kunden durch die Unabhängigkeit von Stahlo?

Wir können ganz unabhängig bei allen Stahlwerken einkaufen und daher auch alle Güten und Spezialitäten der unterschiedlichen Hersteller beschaffen. Für unseren Kunden heißt das maximale Freiheitsgrade. Egal ob ein spezieller Anwendungsfall abgedeckt werden muss, für den er einen bestimmten Stahl benötigt, oder einfach eine alternative Beschaffungsquelle gesucht wird. Wir bieten eine komplette Beratung und Beschaffung über alle Werksprodukte, national und international.

In welchem Spektrum liegt denn Ihr Schwerpunkt?

Wir sind sehr stark im Bereich von 0,45 bis 3 mm Blechdicke. Wir können aber auch in Abstimmung bis 6 mm gehen. Unser Schwerpunkt liegt aber im dünneren Bereich, bei hochfesten Stählen oder besonderen Oberflächen, wie etwa bei Außenhaut für die Automobilhersteller.

Vor rund zwei Jahren war es ja mit der Verfügbarkeit von Stahl sehr schwierig. Wie sieht denn die Situation auf dem Markt jetzt aus?

Aktuell sind die Verfügbarkeiten sehr gut. Innerhalb von acht Wochen ist alles beschaffbar. Standard Güten sind bei den Stahlwerken auch innerhalb von vier bis sechs Wochen erhältlich. Für uns bedeutet das, dass wir das volle Sortiment innerhalb einer Woche liefern können.

Und wie entwickeln sich die Stahlpreise derzeit?

Der Stahlpreis hat nach der Corona-Krise und dem Kriegsausbruch in der Ukraine stark zugenommen. Mittlerweile sind wir aber wieder bei der Hälfte des Preises von damals. Der starke Preisverfall belastet die lagerhaltenden Stahlservicecenter und Distributoren derzeit stark. Die realen Kostensteigerungen, beispielsweise höhere Löhne, Energiekosten und Rohstoffe, werden durch den Preisverfall überdeckt. Durch niedrigere Nachfrage und hohe Verfügbarkeit ist der Preis aktuell weiter unter Druck.

Die Nachfrage ist also stark zurückgegangen?

Ja, die Bestandsgeschäfte sind wegen schwacher Konjunktur rückläufig. Wir wachsen über Neugeschäfte und sind mengenmäßig über dem Vorjahr. Allerdings hatten wir ein noch stärkeres Wachstum eingeplant. Vor allem merken wir die Schwäche der Bau- und Bauzulieferindustrie.

Wie viele Tonnen Stahl schlägt Stahlo denn pro Jahr um?

Wir setzen rund 450.000 Tonnen pro Jahr um.

Vor einiger Zeit war ich in Gera vor Ort und durfte mir das Werk ansehen. Welche Weiterentwicklungen sind dort geplant?

In Gera werden wir die Blechfertigung intensivieren. Wir werden ab November auch individuelle Zuschnitte ab Gera anbieten können. Beim Tafelgeschäft und den Zuschnitten waren wir dort bisher nicht so breit aufgestellt und werden das jetzt ausbauen. Dafür werden wir unseren dritten Standort in Nordhausen nicht weiter betreiben. Wir werden alles auf Gera fokussieren und dort weiter expandieren.

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Wie beurteilen sie die Veränderungen, die Stahlhersteller derzeit in Sachen Nachhaltigkeit unternehmen?

Es ist sehr gut, dass dort wichtige Investitionen in die Transformation getätigt und auch heute schon CO2-optimierte Produkte angeboten werden. Die aktuell kommunizierten Förderungen der ersten DRI-Anlagen unterstützen diese Schritte enorm. Aber man muss sich klarmachen, dass es noch ein langer Weg ist, auf dem noch viele weitere Hochöfen umgebaut werden müssen. Und das braucht seine Zeit und weitere große Investitionen.

Unsere Aufgabe als Green-Steel-Provider ist es, die Kunden mit umfangreichen Services zu unterstützen. Mit unserem neuen „Stahlkompass“ navigieren wir unsere Kunden durch die unübersichtliche Landschaft. Wir erstellen den Status-Quo der bisherigen Emissionen und planen zusammen die CO2-Einsparungsziele der nächsten Jahre. Wir erstellen die Roadmap mit den verschiedenen Optionen bis zur konkreten Beschaffung, Lieferung und mit verlässlicher Nachweisführung. Ich bin mir sicher, das schafft Akzeptanz und unterstützt die erforderliche Zahlungsbereitschaft für saubere Produkte.

Daraus resultiert unser Kundenversprechen „Stahlo - Trusted Excellence“. Wir wollen die gesamte Lieferkette transparent und zuverlässig für die Kunden gestalten.

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Und was unternehmen Sie, um diese Transparenz zu schaffen?

Wir führen den „Digital Material Passport“ (DMP) ein. In das neue elektronische Abnahmeprüfzeugnis können nicht nur die chemischen und mechanischen Kennwerte eingetragen werden, sondern auch die Emissionswerte des Materials. Der DMP kann ohne Medienbruch in der Lieferkette weiterverarbeitet und mit weiteren Daten aus Verarbeitung und Transport angereichert werden. Trotzdem ist die Fälschungssicherheit und Rückverfolgbarkeit über eine Notariatsfunktion eindeutig gegeben. So geben wir unserem Kunden die Zuversicht, dass er auch grünen Stahl bekommt, wenn er ihn bei uns kauft.

In der weiteren Lieferkette kann ein DMP einfach in die digitalen Produktpässe (DPP) der Hersteller einfließen und ist zudem einfach in ERP- und Datenökosysteme integrierbar. Mit etwas Weitblick erkennen wir die Chance, die Produkte am Ende der Nutzungsphase wieder in die jeweiligen Materialien zurückzuführen. Und das planbar und nachhaltig.

Auf der Euroblech im letzten Jahr haben Sie Ihren PCF-Demonstrator für CO2-Tracking in einer grünen Stahl-Lieferkette vorgestellt. Wie kam das Instrument denn auf der Messe an?

Wir wollten damit einen Impuls geben, um klarzumachen, wo die größten Hebel der Lieferkette liegen und dass es wichtig ist, die jeweiligen Stufenemissionen transparent aufzuaddieren und in einem gesamten PCF (Product Carbon Footprint) dazustellen. Um vergleichbar zu sein, müssen die Normen und Regelwerke zur Erfassung und Berechnung der PCFs weiter definiert werden. Die Werte müssen eindeutig und nachvollziehbar sein. Das Schaffen von Standards ist aber auch ganz besonders wichtig, um automatische Weiterverarbeitung und einfache Anreicherung der Daten zu ermöglichen. Rückverfolgbarkeit und Fälschungssicherheit sind dann über moderne Technologien, wie bspw. die Blockchain, herzustellen.

Wie das gehen kann, haben wir auf der Messe demonstriert. Wir haben damit sehr viel Fachpublikum anziehen können, um über diese Thematik zu diskutieren. Natürlich ist es schwierig, durch einen einzelnen Impuls Einigkeit in der Branche herzustellen. Stahlproduzenten und Stahlverbraucher haben noch unterschiedliche Interessen und sind es nicht gewohnt, gemeinsam an „Transparenz“ zu arbeiten. Trotzdem haben wir aus diesen Gesprächen sehr viele interessante Schlüsse für uns ziehen können.

Die in welcher Erkenntnis mündeten?

Von der Demonstration im letzten Jahr sind wir nun konkret geworden. Wir haben den „Stahlkompass“ als neuen Service entwickelt und den DMP als Nachweis eingeführt.

Denn egal, wie die Definition von grünem Stahl aussieht, die regulatorischen Bedingungen umgesetzt werden und der PCF in der Kette gerechnet wird - ich muss die verschiedenen Werte transportieren können. Wir haben uns darauf konzentriert, den lieferbegleitenden Materialpass zu entwickeln und diesen in unsere Prozesse zu integrieren. Dabei haben wir darauf geachtet, dass wir bereit sind, uns mit den großen Branchen-Ökosystemen, wie Catena-x oder Manufacturing-x, zu vernetzen.

Ich nehmen an, dass Ihr eigener CO2-Footprint auch in diesen Materialpass mit einfließt. Wie sieht es denn mit diesem aus?

Wir haben schon 2020 das erste THG-Emissionsgutachten für unsere Standorte erstellen lassen und erneuern dieses jedes Jahr. Wegen der insgesamt sehr geringen Emissionsbelastung im Stahlservice im Vergleich zur Stahlherstellung - und bis wir alle Maschinen vernetzt haben und konkret die Produkte mit „Energie“ belasten können - haben wir den Ansatz einer Berechnung über den CCF (Company Carbon Footprint) gewählt. Wir nehmen z.B. die Gesamtemissionen vom Standort Gera und teilen diese durch die Gesamtmenge an durchgesetztem Stahl. Dabei kommen wir im Scope 1+2, also vom Wareneingang bis -ausgang, auf weniger als 3,6 kg CO2-Äquivalent pro Tonne Stahl. Wir konnten diese Emissionen seit 2020 um über 50 Prozent reduzieren, denn wir haben seither viel Energie eingespart. Der größte Hebel war dabei, dass wir komplett auf grünen Strom durch Wasserkraft umgestellt haben und keine Gas- und Dieselstapler mehr verwenden. Im nächsten Schritt bauen wir auf unserer gesamten Dachfläche in Gera eine flächendeckende Photovoltaikanlage. Dadurch werden wir bei unserer Stromversorgung bis zu 45% autark. Das bringt Unabhängigkeit und Sicherheit für die Zukunft.

Aber letztlich sind Sie hinsichtlich Ihrer Liefermöglichkeiten von grünem Stahl auf die Hersteller angewiesen?

Ja, das stimmt natürlich. Daher haben wir bereits angefangen, Reservierungen in verschiedenen Stahlwerken, wie etwa mit Salzgitter und Thyssen in Deutschland, auszuhandeln. Aber auch bei internationalen Partnern haben wir uns Beschaffungsmengen gesichert. Als unabhängiges Servicecenter können wir alle Optionen im Markt besorgen. Unsere Kunden navigieren wir mit unserem „Stahlkompass“ durch die verschiedensten Möglichkeiten der grünen Stähle und erstellen so individuelle Roadmaps für die Erfüllung ihrer CO2-Einsparziele. Ideale Bepreisung und Nachweisführung inklusive. Unser Ziel ist hier klar. Wir wollen der topp „Green-Steel-Provider“ für unsere Kunden werden.

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