Image
Verbraucht ein Unternehmen weniger CO₂, kann es künftig richtig Geld sparen.
Foto: Dilok - adobe.stock.com
Verbraucht ein Unternehmen weniger CO₂, kann es künftig richtig Geld sparen.

Unternehmen

Klimaschutz als Wettbewerbsfaktor

Der Wandel zu einer klimaneutralen Industrie stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Wir haben nachgefragt, wie gut Deutschland hier aufgestellt ist.

Jörn Sünkel ist Experte für die Transformation hin zur klimaneutralen Fertigung. Im Exklusivinterview spricht er über die derzeitige Situation in Deutschland.

Herr Sünkel, das Hamburg Institut entwickelt Klimastrategien für Unternehmen. Welche Rolle haben Sie dabei im Institut inne?

Ich selbst habe einen Hintergrund im Maschinenbau und bin als Senior Berater zuständig für die Beratung für Unternehmenskunden – vornehmlich aus energieintensiver Industrie.

Und was macht das Hamburg Institut genau?

Wir sind ein Beratungs- und Forschungsunternehmen mit Schwerpunkt im Energie- und Umweltsektor. Seit 2012 unterstützen wir Unternehmen, Ministerien, Kommunen sowie andere Akteure im In- und Ausland bei der erfolgreichen Umsetzung der Energiewende. Neben Beratung und Strategieentwicklung leisten wir auch interdisziplinäre Forschungsarbeit. Unsere Fokusthemen sind erneuerbare Wärme, kommunale und unternehmerische Klimaneutralität, Klimapolitik, Ökostrommarkt und Herkunftsnachweise.

Image
Jörn Sünkel, Senior Berater Hamburg Institut: „Es sind Lösungen seitens der Politik gefragt, um für die Unternehmen Investitionssicherheit zu schaffen.“
Foto: lieblinge.org
Jörn Sünkel, Senior Berater Hamburg Institut: „Es sind Lösungen seitens der Politik gefragt, um für die Unternehmen Investitionssicherheit zu schaffen.“

Was beinhaltet das Entwickeln einer Klimastrategie?

Zu Beginn führen wir eine Treibhausgas-Bilanzierung auf Ebene der Organisation durch, um die Grundlagen für die jeweilige Unternehmens-Klimastrategie zu schaffen. Im nächsten Schritt erfolgt die Potenzialanalyse. Hierbei beschäftigen sich beispielsweise die Ingenieure in unserem Team konkret mit der Produktion und ermitteln Potenziale zur Emissionsreduktion, etwa durch Elektrifizierung. Ebenso betrachten wir die Lieferkette, da hier ein Großteil der Emissionen unserer Kunden verursacht wird. Bei Bedarf begleiten wir auch den Dialog mit den Lieferanten, da oft schon in der geeigneten Datenqualität ein Knackpunkt liegt. Hier stellen wir Informationen für unsere Kunden bereit und zeigen Möglichkeiten auf, wie sich im Rahmen der Lieferkette Emissionen einsparen lassen. Insgesamt ist die Klimastrategie aus unserer Sicht kein zeitlich abgeschlossenes Projekt, sondern vielmehr ein dauerhaft angelegter Prozess. Das liegt daran, dass es sich hier um ein sehr dynamisches Themengebiet handelt und Rückschlüsse von heute in einem Jahr eventuell schon nicht mehr gültig sind. Daher muss solch ein Prozess inklusive der Bilanzierung kontinuierlich durchgeführt werden.

Wie wichtig ist das Thema heute schon für Unternehmen und wie wichtig wird es werden?

Es entwickelt sich vom Nice-to-have zum Must-have – getrieben vom Interesse diverser Stakeholder sowie von regulatorischer Seite. Wichtige Schlagworte sind unter anderem EU-Taxonomie oder auch CSRD. Letzteres ist eine EU-Richtlinie, die ab 2025 schrittweise immer mehr Unternehmen zum Erstellen einer nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet. Schon allein deshalb wird die Zahl der Unternehmen, die sich damit beschäftigen müssen, zwangsläufig zunehmen. Es gibt aber auch heute schon einige Unternehmen, die hier freiwillig aktiv werden.

Image
Die Klimastrategie muss aus den für Nachhaltigkeit zuständigen Abteilungen heraus das ganze Unternehmen durchdringen und ihre Umsetzung als Gemeinschaftsaufgabe begriffen werden.
Foto: Hamburg Institut
Die Klimastrategie muss aus den für Nachhaltigkeit zuständigen Abteilungen heraus das ganze Unternehmen durchdringen und ihre Umsetzung als Gemeinschaftsaufgabe begriffen werden.

Wo steht denn Deutschland aus Ihrer Sicht bei der Energiewende?

Diese Frage ist quasi im Schnelldurchlauf ganz schwierig zu beantworten – zum einen, weil sie so vielschichte Aspekte beinhaltet, und zum anderen, weil sich in unserer derzeit von Krieg und Krisen geprägten Welt Rahmenbedingungen ständig verändern. Wir sehen insgesamt aber schon, dass die Notwendigkeit zur Veränderung auf breiter Basis angekommen ist. Großes Interesse kommt aus der Industrie, die Klimaschutz längst als Wettbewerbsfaktor begreift und eine klimaneutrale Energieversorgung forciert, dementsprechend wird auch an dieser Stelle der Druck erhöht. Natürlich gibt es an vielen Stellen noch Handlungsbedarf, schaut man etwa auf Themen wie Genehmigungsverfahren, Flächenverfügbarkeit für Erneuerbare oder auch Handwerkermangel. Ich sehe aber durchaus Ansätze, dass die Probleme adressiert und auch angegangen werden, da eben auch die Wirtschaft immer mehr Druck ausübt.

Und wie sieht es mit den Anstrengungen der Industrie aus? Gehen diese schon weit genug?

In Teilen war die Industrie der Politik bis vor kurzem noch ein Stück voraus. Allein schon aus Gründen des Risikomanagements. Die Unternehmen können sich ja ausrechnen, was bei einem steigenden CO2-Preis auf sie zukommt. Sukzessive wird diese Entwicklung jede Branche erfassen. Die einen früher, die anderen später. Natürlich müssen die Unternehmen auch wirtschaftlich denken. Daher gilt es die Transformation so zu gestalten, dass keine Standortnachteile für die Unternehmen entstehen. Das ist natürlich eine große Herausforderung. Hier sind Lösungen seitens der Politik gefragt, um für die Unternehmen Investitionssicherheit zu schaffen.

Betrachten wir die Unternehmen, die sich mit dieser Transformation beschäftigen. Was sind denn die häufigsten Fehler, die dabei gemacht werden?

Manche Unternehmen beginnen den Prozess vom Ende her. Das bedeutet, dass sie sich ein Zieljahr setzen, wann sie klimaneutral sein wollen, dies auch kommunizieren und sich dann erst damit beschäftigen, wie sie dies erreichen können. Wir setzen da anders an. Zuerst zeigen wir unseren Kunden auf, was der Status-quo ist und wo ihre spezifischen Herausforderungen liegen. Erst danach lässt sich eine zeitliche Einschätzung ableiten. Dies ist unter anderem ja auch abhängig davon, wann welche neuen Technologien – beispielsweise Wasserstoff – zur Verfügung stehen. Gerade weil bei diesem Thema eine sehr große Dynamik herrscht, ist es für die Unternehmen wichtig, genau zu ermitteln, welche Maßnahmen sie in der eigenen Hand haben. Auf die Bilanzierung bezogen sprechen wir hier von den Bereichen Scope 1 und 2.

Können Sie Scope 1 bis 3 noch einmal kurz beschreiben?

Scope 1 umfasst die Emissionen, die auf dem Werksgelände selbst entstehen. In Scope 2 betrachtet man den externen Energiebezug, etwa die Strombeschaffung. Etwas unterschätzt wird manchmal Scope 3. Hier wird die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette betrachtet – oft ein sehr aufwendiger Prozess. Durch Betrachtung des Scope 3 wird jedoch ein wichtiger Aspekt deutlich: Für das Ziel Klimaneutralität braucht es passende Strukturen im gesamten Unternehmen. So muss beispielsweise auch beim Einkauf, wo häufig vor allem der Preis im Vordergrund steht, das Ziel Klimaneutralität in die Prozesse implementiert werden. Will heißen: Die Klimastrategie muss aus den für Nachhaltigkeit zuständigen Abteilungen heraus das ganze Unternehmen durchdringen und ihre Umsetzung als Gemeinschaftsaufgabe begriffen werden.

Es muss aus Ihrer Sicht also einen Kulturwandel in den Unternehmen geben?

Natürlich wird in vielen Unternehmen schon vermehrt darauf geachtet. Aber ja, wichtig ist, dass es in allen Bereichen eines Unternehmens eine Sensibilisierung dafür gibt, was die Klimastrategie beinhaltet und welche Konsequenzen das mit sich bringt.

Letztlich ist die Transformation zur Klimaneutralität eine sehr komplexe Angelegenheit. Können Unternehmen das überhaupt ohne Expertenunterstützung stemmen?

Da auf diesem sehr dynamischen Feld nahezu täglich neue Informationen hinzukommen, ist es durchaus sinnvoll, sich im Sinne einer strukturierten Herangehensweise Beratung von darauf spezialisierten Unternehmen hinzuzuholen. Darauf basierend lässt sich am besten feststellen, welche konkreten Maßnahmen zum jeweiligen Zeitpunkt für das einzelne Unternehmen kurz-, mittel-, und langfristig empfehlenswert sind und dabei auch passende Förderprogramme in Anspruch zu nehmen, damit diese Transformation auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgreich durchgeführt werden kann.

Zum Abschluss noch eine Frage zu Ihrem Unternehmen. In welchen Unternehmensbereichen sind Sie im Schwerpunkt beratend tätig?

Für uns ist weniger wichtig, aus welcher Branche ein Unternehmen kommt – auch wenn unsere Referenzen bislang hauptsächlich im produzierenden Gewerbe liegen. Hier bringen wir mit unserer Kombination aus Beratung zur Klimastrategie und technischer Expertise in den Bereichen Strom und Wärme sicherlich optimale Voraussetzungen mit. Was für den Erfolg am Ende zählt, ist die Motivation und die Bereitschaft zur Veränderung.

Image
kuka_rwth_vdma.jpeg

Interviews

Automobilindustrie: Bringt Wasserstoff den Wandel? 

Elektromobilität ist weltweit ein wichtiger Baustein der Energiewende. Könnte Wasserstoff dabei eine zentrale Rolle für die Automobilindustrie einnehmen?

    • Interviews, Märkte, Strategie, News
Image
Stahlo-Geschäftsführer Oliver Sonst hat ein klares Ziel vor Augen: Er will mit seinem Unternehmen der Top-„Green-Steel-Provider“ werden.

Stahl

„Wir wollen Green-Steel-Provider werden.“

Stahlhersteller und Stahlhandel sehen sich mit Preisverfall und der drängenden Umweltproblematik konfrontiert. Stahlo-Geschäftsführer Oliver Sonst erklärt im BLECH-Exklusivinterview, wie sein Unternehmen diese Herausforderungen meistern will.

    • Stahl, Interviews, News
Image
klima_neutrale_fertigung.jpeg

Management

Ihre Strategie zur klimaneutralen Produktion?

Digitalkonferenz zur klimaneutralen Produktion und mehr: Am 10.11. beschreiben 7 Experten den Weg zur klimaneutralen Unternehmensstrategie. Sichern Sie sich jetzt Ihr Ticket!

    • Management, Unternehmen
Image
Sebastian Beger: „Bei der Blechexpo wird der Besucher schon vor dem Eingang unseren neuen Dreiklang der digitalen Produktentwicklung sehen. Auf unserem Stand erwartet die Besucher dann eine Design-Challenge und vielleicht erkennt der ein oder andere auch den Rahmen wieder, der bereits den Weg auf der Messe zum bestmöglichen Design erleuchtet.“

Blechexpo

Blechwissen aus der Cloud

Mit ein paar Klicks erhält ein Anwender in wenigen Sekunden die Machbarkeitsanalyse, Bauteiloptimierung und dazugehörige Kostenkalkulation für seine Bauteile.

    • Blechexpo, Software