Gerade in den letzten Jahrzehnten hat die Oberflächenbearbeitung rund um das Entgraten, Verrunden und Finish-Schleifen viel Aufmerksamkeit erhalten. Doch während vor allem die Maschinen im Vordergrund standen, blieben die Werkzeuge – ganz anders als in anderen Branchen wie der Zerspanung – weitestgehend unbeachtet. Dass inzwischen die tragende Rolle der Werkzeuge weithin bekannt ist und auch „solchen Bürsten“ eine hohe Komplexität zugesprochen wird, dazu haben diese Männer entscheidend beigetragen: Jochen und Marc Böck. Die Brüder stecken nicht nur viel Herzblut in ihre Produkte im Speziellen und die Boeck GmbH als Ganzes, sondern verstehen es auch, ihre Themen in der Öffentlichkeit zu platzieren. Dabei ist gutes Marketing nur eine Seite der Medaille. Sie pflegen auch die Kommunikation mit Maschinenherstellern und Kunden und haben so immer ein Ohr am Markt.
Partnerschaftliche Weiterentwicklung
„Wir sind mit den Maschinenherstellern in engem Kontakt, um zu verstehen, wo die Probleme und Herausforderungen liegen, sodass wir die Bürsten entsprechend anpassen können“, fasst Jochen Böck zusammen. „So entwickeln wir unsere Produkte kontinuierlich weiter – sie werden stetig leistungsfähiger, sind einfacher auszutauschen und werden durch Materialeinsparungen leichter, was wiederum die Maschinen weniger belastet.“ Mit einer zu starken Fokussierung auf die Bedürfnisse der Hersteller lande man im Wettbewerb jedoch schnell in einer „Wir-auch-Situation“, also bei einem bloßen Gleichziehen des Angebots, so die Brüder. Für echte Innovationskraft seien Gespräche mit Kunden unerlässlich. „Mein Ansatz war es schon immer, zu den Kunden rauszugehen und sich mit ihren Problemen zu beschäftigen. Da entstehen auch heute noch die besten Ideen. Und wenn ein Kunde dieses Problem hat, hat es garantiert ein anderer auch“, fügt Jochen Böck hinzu.
Am Puls der Zeit
Auf diese Weise erfahren die Brüder auch schnell von neuen Trends und aktuellen Herausforderungen. Gerade stünden bei den Blechbearbeitern vor allem zwei Fragestellungen im Fokus: Wie lässt sich die Produktivität steigern? Und wie lässt sich eine Kantenverrundung nach DIN EN 1090 gerade bei höheren Blechstärken sicher erreichen? Als Antwort auf die erste Frage hat die Boeck GmbH ihre Hero-Bürsten entwickelt. „Um eine höhere Produktivität zu erzielen, ist es notwendig, eine hohe Schleifmitteldichte bei gleichzeitiger Flexibilität des Schleifbesatzes umzusetzen“, erklärt Marc Böck. „Die hohe Schleifmitteldichte sorgt für eine hohe Abtragsleistung, die Flexibilität dafür, dass sich die Lamellen gut an die Konturen ‚anschmiegen‘ und damit für eine zuverlässige Kantenverrundung.“ Hierfür werden bei den Hero-Tellern die Lamellen nicht hintereinander gesetzt, sondern zu Fingern zugeschnitten und versetzt aufgebracht, sodass ein Ausweichen möglich wird. „Bei der zweiten Frage setzen wir uns individuell mit den Kunden zusammen. Gerade bei dicken Blechen bedeutet eine fehlerhafte Kantenverrundung nämlich große wirtschaftliche Verluste“, fährt der Diplom-Ingenieur fort.
Intelligentes Werkzeug
Natürlich macht auch der Trend der zunehmenden Intelligenz von Maschinen und Anlagen vor den Werkzeugen nicht halt. Gemeinsam mit dem Fraunhofer LBF Darmstadt arbeitet die Boeck GmbH an dem Projekt, Werkzeuge intelligent zu machen. Hierzu soll das Schnellspannsystem, für das Boeck bekannt ist, mit einem Sensor versehen werden. Dieser misst die radiale, tangentiale und axiale Beschleunigung der Werkzeuge und sendet die Werte per WLAN oder Bluetooth an ein mobiles Endgerät oder direkt an die Maschinensteuerung. „Wenn man dann eine KI mithilfe der Daten einmal angelernt hat, dann weiß sozusagen das Werkzeug, ob der Prozess fehlerfrei läuft oder ob Anpassungen notwendig sind“, so Jochen Böck. „Damit lässt sich der Schleifprozess vom Mitarbeiter entkoppeln und die Qualität sowie die Materialeffizienz erhöhen.“ Die Lösung ist noch nicht ausgereift, befinde sich aber auf einem sehr guten Weg. Ein weiteres aktuelles Projekt ist ein digitaler Vertrieb, beispielsweise über eine App. So soll es künftig möglich sein, dass Interessenten mit dem Smartphone ein Bauteil scannen und die App dann Boeck-Produkte empfiehlt, mit denen es bearbeitet werden kann. „Es wird praktisch das Problem fotografiert, grafisch ausgewertet und eine passende Lösung für den jeweiligen Maschinentyp genannt. Damit können wir bei unserem Webshop gleich passende Lösungen vorschlagen – und müssen nicht den Umweg über Produktbeschreibungen gehen“, zeigt sich der promovierte Ingenieur zuversichtlich.
Erfolgreiches Jahr 2023
Der Erfolg gibt ihnen Recht: Das Unternehmen wächst seit Jahren. 2023 war die Boeck GmbH zum vierten Mal in Folge Focus Wachstumschampion. „Im deutschen Maschinen- und Anlagenbau sind wir fast immer unter den besten 10“, zeigt sich Marc Böck stolz. Dabei finanzieren sich die Brüder aus eigener Kraft: „Wir machen Umsatz, machen Gewinn und investieren wieder in die Firma“, so der Geschäftsführer weiter. Doch gerade scheint das Wachstum an eine Grenze gestoßen zu sein – und zwar an eine räumliche. Seit seiner Gründung im Jahr 2013 sitzt das Unternehmen im Leipheimer Industriegebiet. Mit dem Wachstum wurden sukzessive Flächen dazugemietet. Damit ist jetzt Schluss; weitere Flächen waren in dem Gebäude nicht mehr ohne weiteres verfügbar. Das wiederum führte dazu, dass jede freie Fläche der aktuellen Räumlichkeiten genutzt werden musste – mit Effizienzeinbußen und ohne weitere Expansionsmöglichkeiten. Auch der Umstand, dass die Fertigungsflächen auf verschiedene Stockwerke aufgeteilt sind, macht die Fertigung aufgrund des hohen Logistikaufwands langsamer als notwendig. Deswegen entschieden sich die Brüder dafür, wenige hundert Meter entfernt neu zu bauen. „Es ist aber auch einfach nur cool, so ein neues Gebäude zu haben, mit seinem eigenen Spirit“, schmunzelt Jochen Böck.
Auf Produktivität getrimmt
Die neuen Räumlichkeiten, die laut Plan in Q3 2024 bezogen werden sollen, teilen sich in drei Bereiche. Zuvorderst wird die auf zwei Stockwerke verteilte Bürofläche Platz für die Konstruktion, die Arbeitsvorbereitung und das Marketing bieten. Auch das neue Studio für Videoaufnahmen wird hier unterkommen. An die Bürofläche schließt die Produktion an. Sie wird deutlich größer sein als das Büro und natürlich auch als die alte Halle. „Hier werden wir alles auf Produktivität trimmen“, sagt Marc Böck. Wenn die Brüder das behaupten, dann bedeutet das mehr als nur den Prinzipien der Lean Production zu folgen. Denn sie konstruieren beinah ihren gesamten Maschinenpark selbst. Das macht ihn zum einen leicht skalier- und veränderbar. Zum anderen sind die Maschinen zu 100 % an den Bedarf und den Produktionsprozess angepasst. „Wir treiben die Prozessintegration voran. Und zwar nicht nach Standard, sondern wir versuchen, ganz neue Maschinenkonzepte zu finden. Es ist unsere Vision, dass alle Prozesse mit neuesten Technologien in nur einer Anlage und parallel abgewickelt werden. Damit wollen wir die bisherigen Spielregeln der Prozessketten verändern“, unterstreicht Jochen Böck. „Durch die hohe Automatisierung können wir attraktive Arbeitsplätze schaffen. Man braucht heutzutage – ich sag mal – ‚sexy Prozesse‘, welche die Mitarbeiter begeistern.“
Neues bereits auf Abrufposition
Der Neubau bringt noch mehr Vorteile als eine bloße Effizienzsteigerung in der Produktion: „Wir planen, in den Bereich Holzwerkzeuge einzusteigen. Gerade sind wir noch sehr metalllastig. Wir haben bereits eine Maschine entwickelt, mit der wir Fiberbürsten für die Holzbearbeitung herstellen können. In der neuen Halle wollen wir die Produktionsmöglichkeiten weiter ausbauen“, führt Marc Böck aus. Neben den Fiberbürsten zählen auch gestanzte Bürsten zu den neuen Marktsegmenten, welche die Boeck GmbH erobern will. „Dabei handelt es sich um eine Art von Bürsten, die ebenfalls viel im Holzbereich, z.B. zum Strukturieren, Anwendung findet. Auch da haben wir die Produktionsmaschinen bereits entwickelt. Wir können sie nur nicht in Betrieb nehmen, weil am aktuellen Standort die Stromzuleitung zu gering ist“, so der Geschäftsführer weiter. „Aber auch dieses Problem wird sich mit dem Neubau klären.“
Modernes Gebäudekonzept
Der dritte und letzte Gebäudeteil wird vom Lager beherrscht, das in etwa ebenso groß ausfällt wie die Fertigung. „Die Trennung von Produktion und Logistik war uns sehr wichtig. Wir können dadurch Mitarbeiter einsetzen, welche die Produktionsprozesse mit Grundware versorgen und die fertigen Produkte in den Warenausgang bringen“, merkt Jochen Böck an. Alle Gebäudeteile – also auch die Produktion – werden künftig von einer PV-Anlage auf dem Hallendach mit Strom versorgt. Da das Gebäude weit mehr Energie erzeugen wird als es benötigt, investiert die Boeck GmbH zusätzlich in einen Batteriespeicher, der bei der Stabilisierung des Stromnetzes unterstützen wird. Abgerundet wird das umweltfreundliche Gebäudekonzept durch die Dämmung und eine Niedrigtemperaturheizung via Wärmepumpe. Damit erreicht der Neubau den KfW 40-Standard. „Das ist zwar aufwändig, aber höchst wirtschaftlich – und umweltfreundlich“, kommentiert Jochen Böck. „Wir sind sicher, dass Mitarbeiter gerne in einer Firma arbeiten, die nach vorne geht und auf Neues setzt.“
Weiteres Wachstum erwartet
Mit dem Neubau will sich die Boeck GmbH auch die Möglichkeit sichern, weiter wachsen zu können. Die Räumlichkeiten sind größer dimensioniert, als aus heutiger Sicht notwendig wäre. Eine Erweiterung des Maschinenparks für zusätzliche Fertigungskapazitäten ist also problemlos möglich. Durch den geplanten Ausbau der Automatisierung sei es laut den Brüdern ebenfalls denkbar, in Zukunft eine dritte mannlose Schicht aufzunehmen. Bleibt noch die Frage, wie die Boeck GmbH dieses Wachstum in den Märkten überhaupt realisieren will? Zum einen durch das Erschließen neuer Marktsegmente wie der bereits genannten Holzbearbeitung. Zum anderen durch das Ausland. Schon jetzt liegt die Exportquote von Boeck bei 75 – 80 %. Beliefert werden unter anderem die USA, Indien, Australien, Japan und China, weitere Länder sind in Planung. „Aber gerade im Ausland kämpft man gegen die Unbekanntheit. In Deutschland hatte die Boeck GmbH nach der Gründung dasselbe Problem: Man hat ein Produkt und weiß, dass es funktioniert und man es wirtschaftlich herstellen kann. Doch niemand kennt es. Das Produkt bekannt zu machen ist die größte Herausforderung“, schließt Marc Böck.