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Foto: LVD

Flexible Blechbearbeitung

Zeitorientierte vernetzte Fertigung

Zur Vernetzung der Fertigung samt Automatisierung gehört auch eine Strategie, wie die Fertigung gesteuert werden soll. LVD setzt hierzu auf das 'Quick Response Manufacturing mit Puffer'.

Die LVD Group zeigt auf der Blechexpo auch neue Maschinen, sagt Kurt Debbaut, Produktmanager für die LVD-Software Cadman. Unter anderem wird die neue Faserlaseranlage Electra FL mit 8-kW-Faserlaser angebunden an einen Kompakt-Lagerturm für hochvolumige Schneidaufgaben zu sehen sein. Interessanter aber ist, was das belgische Unternehmen in Sachen flexibler Blechfertigung und Industrie 4.0 vorstellt. Statt mit Cloud und Industrie 4.0 beginnt Kurt Debbaut mit den Änderungen bei den Blechbearbeitern. „Fakt ist, dass für viele Blechbearbeiter die Zeiten der Großserienfertigung vorbei sind.“ Heute prägt eine kurzterminierte Fertigung kleiner Lose mit kurzen Vorlaufzeiten und engen Margen das Bild. Und selbst Wiederholaufträge können nicht vorproduziert werden, weil immer mit kurzfristigen Konstruktionsänderungen zu rechnen ist.

Diesem Wandel ist mit schnelleren Maschinen nicht beizukommen, „es erfordert ein Umdenken in der Fertigungssteuerung“. Die bisherige kostenorientierte Fertigungssteuerung mit der angestrebten hohe Auslastung des Maschinenparks (OEE Overall Equipement Effectiveness) ist bei größeren Serien sinnvoll, kleine und häufig wechselnde Serien erfordern dagegen ein zeitorientiertes Fertigungsmanagement mit schnellen Reaktionen und kurzen Durchlaufzeiten (QRM: Quick Response Manufacturing). Nach dem Ansatz der klassischen kostenorientierten Fertigungssteuerung verursacht eine nicht produzierende Maschine Kosten und muss also möglichst oft laufen – unabhängig davon, was an Arbeitsstationen davor oder danach passiert.

Bei idealem zeitorientierten Fertigungsmanagement nach QRM werden dagegen die Durchlaufzeiten der Aufträge optimiert. Jeder Auftrag wird ohne Zeitverzögerung von Produktionseinheit zu Produktionseinheit durchgereicht und direkt bearbeitet. Denn halbfertige Teile, die in der Produktion liegen, kosten letztendlich Geld, weil für sie bereits Produktionskosten angefallen sind, die aber noch nicht in Rechnung gestellt werden können.

Kurze Durchlaufzeiten mit Puffer

„Untersuchungen zeigen, dass in der Blechbearbeitung eine ideale QRM nicht immer realisiert werden kann“, sagt Kurt Debbaut. „Es ist nicht immer möglich, Teile von der Stanze direkt abzusortieren und sofort in die Biegestation laufen zu lassen. Deshalb haben wir ein ManagementSystem zugrunde gelegt, das wir ‚QRM mit Puffer‘ nennen.“ Dabei legt jedes Anwenderunternehmen den Pufferzeitraum selbst fest. Das heißt: Nach der Bearbeitung in einer Produktionszelle dauert es maximal die von Anwender eingestellte Pufferzeit, bis der Auftrag in der nächsten Produktionszelle bearbeitet wird. Eingebunden sind in das System alle Arbeitsschritte von der Angebotserstellung über die Arbeitsvorbereitung und die Fertigung bis zur Auslieferung.

Praktisch sieht es dann bei LVD-Anwendern so aus, dass alle Produktionsabteilungen und Maschinen – inklusive der Fremdmaschinen - vernetzt und an Datenbanken angebunden sind. Über allem ist die LVD-Software der Cadman Suite angeordnet, die unterhalb der Ebene der Business-Software und ERP-System agiert und mit dieser kommuniziert.

Hauptzweck von Cadman ist die Frage: „Wie kommt man von einer 3D-Zeichnung auf dem schnellsten und effizientesten Weg von einem Blech zu einem 3D-Bauteil?“ Der Ablauf beginnt mit dem SDI Smart Draw Importer, der die 3D-CAD-Daten für ein Angebot importiert und automatisch mit erprobten Algorithmen die Kostentreiber identifiziert, wie beispielsweise das Materialgewicht oder die Zahl der Kanten. Auf Basis der in den Cadman-Datenbanken und dem ERP-System gesammelten Daten, wie dem Materialpreis, ermittelt das System einen Angebotspreis, mit dem ein Angebot erstellt wird. Alle Daten der Angebotsphase bleiben gespeichert und sind bei Auftragserteilung sofort verfügbar.

Vom Auftrag zur Fertigung

Mit der Einbuchung im ERP-System ist der Auftrag mit Stückzahl, Termin und Preis festgelegt und das ERP-System erstellt die Fertigungsplanung. Cadman-Job organisiert auf dieser Basis die Abläufe in der Werkstatt. „Damit ist in den Datenbanken von Cadman-Job alles bekannt, was gerade läuft und wie es gelaufen ist und was laufen soll“, erläutert Kurt Debbaut. Cadman-Job teilt den Auftrag automatisch auf, lässt von Cadman-B die Abwicklung sowie Biegeprogramm und Cadman-L oder Cadman-P die Schneidprogramme erstellen.

Allerdings werden von Cadman Job die Aufträge nicht wie heute üblich nach Material und Blechdicke gebündelt, sondern nach Fälligkeit. Dabei werden nach „QRM mit Puffer“ zulässige Zeitpuffer einbezogen. „Wenn ein Gehäuse beispielsweise am Freitag fertig sein muss, dann rechnet das System um den vom Kunden eingestellten Puffer, zum Beispiel 24 Stunden, jeweils zurück. In diesem Beispiel müssten die Gehäuse am Donnerstag lackiert, am Mittwoch gebogen, am Dienstag aussortiert, am Montag gestanz werden“, erläutert Debbaut.

Der Nachteil von QRM sind suboptimale Schachtelergebnisse. Entsprechend wird die „2D-Arbeitsvorbereitungen, also das Schachteln der Teile auf einer Tafel, bis zum letzten Moment hinausgezögert, um mit eventuell noch kurzfristig eingehenden Aufträgen das Material optimal zu nutzen.“

„Das alles läuft zwar automatisch“, sagt Debbaut, „aber es sind immer Menschen notwendig, die entscheiden, ob ausgeführt wird, was die Algorithmen vorschlagen. Die Mitarbeiter müssen beispielsweise bestätigen, dass eine Tafel nur zum Teil gefüllt ist.“

Alle Informationen stehen auf dem Tablet an der Sortierstation bereit

Ein Flaschenhals in der Fertigung ist das Sortieren der Teile nach dem Stanzen oder Laserschneiden. Hier benötigen die Bediener Informationen über die Teile selbst, deren Zuordnung zu Aufträgen und ihre nächsten Bearbeitungsschritte. Dazu hat LVD

Touch i4 entwickelt. Meldet die Laser- oder Stanzmaschine an Cadman-Job, dass eine Tafel abgearbeitet ist, dann schickt Cadmann-Job die Daten an ein Tablet, das dem Bediener anzeigt, welche Teile zu welchem Auftrag gehören und auf welchen Paletten die Teile abzulegen sind. Die Palettenbelegung wiederum ist bereits von Cadman-Job geplant und fasst wiederum die Aufträge zusammen, die zum Beispiel gemeinsam auf der Biegemaschine bearbeitet werden sollen. Jede Palette ist dabei eindeutig gekennzeichnet, weshalb dem System bekannt ist, welche Teile auf dieser Palette liegen. Eine Kennzeichnung der Einzelteile wäre unter anderem mit einem Aufkleber möglich“, sagt Debbaut, aber das wird für die Fertigung eigentlich nicht gebraucht. Eigentlich müssen wir auch keine Daten wie beispielsweise zur tatsächlichen Blechdicke in den Fertigungsprozessen mitschleppen. „Den Biegewinkel können addaptiv im Prozess messen, so sind wir sicher, dass das Teil richtig gebogen ist.“ sagt Kurt Debbaut.

An der Sortierstation gibt der Bediener auch beispielsweise ein, wenn in einem Auftrag zwar zehn Laserschneidteile geschnitten worden sind, ein Teil aber wegen einer verkratzten Oberfläche unbrauchbar ist und in der Laseranlage nicht als n.i.o erkannt wurde. Dann bucht der Mitarbeiter den Auftrag an seinem Tablett mit nur neun statt zehn Gutteilen ein und Cadman positioniert das fehlende Teil auf einer der nachfolgenden Tafeln.

Ähnlich läuft es nach der Biegestation ab, wo der Bediener eigentlich nur noch die Qualität der Teile prüft und bestätigt. Das System kann bis hin zum Versand ausgebaut sein, sodass Cadman-Job – sobald die Teile in den Versand gehen – den Auftrag als abgeschlossen an das ERP-System meldet, wo dann automatisch die Rechnung erstellt und verschickt wird.

Keine Cloud und keine Sicherheitsprobleme

Das gesamt LVD-System sammelt Daten ausschließlich innerhalb des Firmennetzwerks in verschiedenen netzinternen Datenbanken, betont Debbaut. Diese Daten stehen nur intern für Analysen, wie zum Beispiel zur Maschinenauslastung, zur Verfügung und sind nicht in der Cloud verfügbar. Entsprechende Überlegungen bei LVD werden wegen der Sicherheitsbedenken der Anwender derzeit nicht umgesetzt.

LVD bewege sich eher am Boden der Praxis als in gedanklichen Wolken, resümiert Debbaut scherzhaft. „Wir legen die Schwerpunkte auf die Produktionssteuerung. Für viele Anwender ist es ungewohnt, ihre Produktion nach den QRM-Prinzipien zu steuern, obwohl es ihnen eigentlich einleuchtet. Letztendlich liegt es am Anwender zu entscheiden, ob er bei überwiegender Großserienproduktion eine kostenorientierte Strategie mit OEE fährt oder bei kleinen Losen die QRM-Strategie wählt. Oder eben QRM mit Puffer.“ Aber selbst hier wird bereits an Systemen zur automatisierten Optimierung dieser Entscheidung gearbeitet. Nicht ohne Grund hat LVD seine Produktbereiche Stanzmaschinen, Lasermaschinen und Abkantpressen vor Jahren um den Bereich „Integrate“ erweitert, der für die venetzte automatisierte Fertigung steht.

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