Von Marius Schmid und Dr. Marcel Eberle
Warum gibt es Schmierstoffe beim Schmieden? Auf diese Frage hat jeder Mitarbeiter in der Wertschöpfungskette des Schmiedens eine andere Antwort und dennoch haben sie alle eins gemeinsam: Alle Antworten sind richtig. Die Vorteile für die Verwendung eines Schmiermittels beim Schmieden reichen von reduziertem Verschleiß der Presse über die Oberflächenbeschaffenheit des geschmiedeten Produkts, bis hin zur Kosteneinsparung durch eine längere Standzeit des Gesenks. Im Detail werden die Vorteile deutlicher. Durch eine verringerte Reibung kann die Presskraft geringer eingestellt werden, wodurch es zu einer Entlastung der Maschine und seiner Bauteile kommt. Mit einer verbesserten Gleitwirkung des Materials im Gesenk werden Abnutzung und kleine Risse zeitlich hinausgezögert. Dies verlängert nicht nur die Standzeiten, auch die Oberflächenqualität der Bauteile verbessert sich im Laufe des Lebenszyklus eines Gesenks. Nicht zuletzt ist es auch möglich, schwer fließende Legierungen, beispielsweise mit Chrom, Nickel oder Titan, in einem Schmiedeprozess formen zu können, dass alle Ecken und Formen des fertigen Bauteils auch wirklich ausgefüllt sind.
Welche Arten von Schmiermitteln gibt es?
Es gibt zahlreiche Eigenschaften, die ein Schmierstoff aufweisen muss, um zum Schmieden geeignet zu sein. Vorrangig zu nennen sind eine gute Gleitwirkung, exzellente Trenneigenschaften sowie eine dem Prozess entsprechende Temperaturbeständigkeit. Neben der Tatsache, dass ein reibungsloser Produktionsablauf hergestellt sein muss, sollte auch das Wohl der Mitarbeiter und der Umwelt betrachtet werden. Darüber hinaus können sich die Schmierstoffe aber noch in wesentlichen Punkten voneinander unterscheiden. Um die Auswahl eines geeigneten Schmiermittels besser treffen zu können, teilt man die Schmiermittel grob in drei Gruppen:
1. Coatings
Unter Coatings versteht man Schutzfilme, welche die Oberfläche der Legierungen versiegelt. Die geschlossene Schutzschicht verringert eine Heißgaskorrosion, wodurch die Oberflächengüte des gefertigten Bauteils verbessert wird. Zudem wird die Wärme besser im Bauteil gehalten, beispielsweise beim Transport.
Beispiel: Glass Coating von Oelheld
Die Glass Coating Reihe findet seine Anwendung in der Luftfahrttechnik. Das Glas schützt die hierbei vornehmlich genutzten Titanoder Nickellegierungen vor dem reaktiven Sauerstoff und man erreicht nach dem Schmieden eine saubere und vor allem defektfreie Oberfläche. Die Auftragung der Glass Coatings auf die Werkstücke erfolgt durch pinseln, sprühen oder durch ein elektrostatisches Auftrageverfahren. Die Schichtdicke des aufgetragenen Glass Coatings kann der Anwender auf den jeweiligen Prozess selbst abstimmen, indem das Produkt mit Wasser vor Ort auf die geeignete Konsistenz verdünnt wird.
2. Schwarze Produkte
Die schwarzen Produkte erhalten ihre Farbe durch den enthaltenen Graphit. Dieser von Natur aus schwarze Feststoff besitzt hervorragende Eigenschaften, die ihn für Schmierstoffe wertvoll machen. Diese sind neben einer guten Schmierwirkung, auch eine herausragende Trennleistung. Bei graphithaltigen Schmierstoffen kann die Trägerflüssigkeit variiert werden, es gibt sowohl wasser-, als auch ölbasierte Produkte.
Mit dem eingesetzten Wasser werden damit in Berührung kommende Teile gekühlt, was das Gesenk vor Überhitzung bewahrt. Diese Produkte sind vor Ort mit Wasser mischbar, womit der Anwender seine individuell geeignete Konzentration anmischen kann.
Die Vorteile des Graphits sind auch bei ölbasierten Produkten vorhanden. Zudem wird die Maschine vor Korrosion geschützt. Je nach Anforderung sind Produkte mit unterschiedlicher Viskosität erhältlich.
Die Erfahrung in der Praxis hat gezeigt, dass ein Bedarf an Schmierstoffen besteht, welche sowohl Prozesse mit als auch ohne Graphit abdecken können. Die Tatsache, dass der Umformgrad der produzierten Teile variiert, ist oft der Grund dafür, mehrere Schmierstoffe zu verwenden. Hybride sind Schmierstoffe welche die Vorteile der graphitfreien und der graphithaltigen Schmierstoffe vereinen. Geeignet sind diese darum vor allem für Schmiedebetriebe mit einem breiten Produktspektrum. Hybride können so abgestimmt werden, dass durch deren Einführung in die Produktion ein Schmierstoff für alle Schmiedeprozesse nutzbar ist. So wird gewährleistet, dass alle Bauteile mit nur einem Medium geschmiert werden können. Zudem bleiben durch einen geringeren Anteil von Graphit in Hybriden weniger Partikel in der Umluft, der Peripherie der Presse und auf der Oberfläche der Bauteile.
3. Weiße Produkte
Weiße Produkte sind einsatzbar für Stahl und Stahllegierungen, Aluminium, Titan und Titanlegierungen und Nickel und Nickellegierungen. Die Vorteile „weißer Schmierstoffe“ sind vor allem die sauberere Produktion, geringerer Nachbearbeitungsaufwand durch sauberere Oberflächen bei einer nahezu identischen Schmiereigenschaft im Vergleich zu Graphitprodukten. Die Art der Produkte variiert, je nach verwendetem Material und Anwendung.
Die auf Wasser basierenden transparenten Schmierstoffe bilden im Gesenk einen weißen Trennfilm. Sie sind pigmentfrei und sehr gut mit Wasser mischbar und lassen sich dadurch mittels Sprühautomaten oder auch manuell auftragen. Die enthaltenen Inhaltsstoffe sorgen für eine gute Benetzung im Gesenk. Durch die exzellente Treib- und Trennwirkung in einem breiten Temperaturbereich ist es bestens geeignet für anspruchsvolle Warm- und Halbwarmumformungen.
Speziell für die Warmumformung von Aluminium gibt es weiße synthetische Schmiermittel auf Wasserbasis. Diese können vom Kunden auf die jeweils benötigte Einsatzkonzentration verdünnt und danach mit allen gängigen Sprühanlagen und Handsprühpistolen aufgetragen werden.
Für das Hochgeschwindigkeitsschmieden auf Hatebur-Anlagen stehen spezielle transparente Fluide zur Verfügung. Sie sind sehr gut mit Wasser mischbar und ergeben farblose Lösungen. Eine gute Benetzung der Bauteile wird durch die sehr geringe Schaumbildung gewährleistet.
Vorteile von graphitfreien Gesenkschmiermitteln
Graphithaltige Schmiermittel haben sich in der Schmiedeindustrie bewährt, doch die Nachfrage nach einer sauberen Schmiede wächst. Über die Sauberkeit des Betriebs hinaus bringen weiße Produkte noch einige Vorteile mit sich:
- Gute Trennwirkung
- Gute Schmiereigenschaften
- Sauberkeit der Anlagen, Maschinen und Bauteile
- Schutz der Umwelt
- Gesundheit der Arbeitnehmer
Für wen eignen sich graphitfreien Gesenkschmiermittel?
Die Frage, ob jede Schmiede oder jeder Schmiedeprozess auf einen graphitfreien Schmierstoff umgestellt werden kann, lässt sich nicht pauschal beantworten. Manchmal müssen Prozesse und Gesenke angepasst werden, damit der Prozess mit einem synthetischen Produkt nach dem Wechsel des Schmierstoffs reibungslos läuft. Die Umstellung funktioniert zumeist nicht direkt und benötigt eine gewisse Einstellungszeit, welche sich meist auf lange Sicht finanziell und ökologisch auszahlt. Beide Parteien, der Schmierstoffhersteller und das Schmiedeunternehmen, müssen bei der Umstellung auf einen graphitfreien Schmierstoff eine Reihe von Punkten beachten.
Was es bei einer Umstellung zu beachten gilt
1. Gratbildung
Grate entstehen bei fast allen Gesenkschmiedetätigkeiten mit Schmiedewerkzeugen. Die Größe des Grates ist abhängig von der Konstruktion des Werkzeuges. Bei der Umstellung von graphithaltigen Schmierstoffen auf graphitfreie ist es wichtig, den Grat so klein wie möglich zu halten. Ein größerer Grat belastet den Schmierstoff stärker. Je geringer dieser zusätzliche Schmierbedarf ist, desto besser kann der Prozess mit einem graphitfreien Schmierstoff reproduziert werden.
2. Optimierung des Gesenkdesigns
Die Schmiedestufen sollten im Hinblick auf den Materialfluss analysiert und so angepasst werden, dass die Teile weniger belastet werden und so die Auswirkung der Schmierung berücksichtigt wird. Das bedeutet nicht, dass ein weißes Produkt keinen erhöhten Druck aushalten kann, jedoch sollte bei komplexen Bauteilen nicht mehr als die nötige Menge an Schmierstoff angewendet werden.
3. Anwendung des Schmierstoffs
Ein Vorteil spezieller graphitfreier Schmiermittel ist die weiße Trennmittelschicht, die auf der Oberfläche der Matrize verbleibt. Es ist genau zu erkennen, wo der Schmierstoff auf die Matrize aufgetragen wurde und wo er noch aufgesprüht werden muss. Bei komplizierteren Bauteilen ist es sehr wichtig, vertikale und steile Flächen des Gesenks mit Schrägspritzdüsen oder durch Handspritzen ausreichend zu benetzen. Insbesondere beim Aluminiumschmieden wird sonst durch die fehlende Kühlung die Anhaftung von Aluminium an der Gesenkoberfläche gefördert. Dies hat negative Auswirkungen auf die Schmiedeoberflächen, da diese Aluminiumanhaftungen, meist durch Schleifen, in regelmäßigen Abständen entfernt werden müssen.
Vorteile von graphitfreien Schmiermitteln beim Aluminiumschmieden
Aluminium wird beim Schmieden als „weicher“ Werkstoff bezeichnet, daher werden beim Arbeiten mit schwarzen Schmierstoffen Graphitpartikel in die Oberfläche des Aluminiums gedrückt. Untersuchungen von Oelheld haben gezeigt, dass bei graphitfreien Schmierstoffen auf Basis von Wachs oder Polymeren diese Komponenten eine Schutzschicht auf der Oberfläche der Schmiedeteile erzeugen können und somit tendenziell korrosionshemmend wirken.
Vorteile von graphitfreien Schmiermitteln beim Schmieden von Stahl
Die Verwendung von graphitfreien Schmiermitteln hat auch beim Schmieden von Stahl mehrere Vorteile. Neben der Sauberkeit der Schmiede und der Bauteile, sowie der Gesundheit der Mitarbeiter sind vor allem die sehr guten Gleit-, Trenn- und Sprüheffekte zu erwähnen. Die Oberflächenqualität verbessert sich und die Sprühgeräte werden nicht mehr durch Graphit verstopft.
Kann für jedes Bauteil ein graphitfreier Schmierstoff verwendet werden?
Die kurze Antwort lautet: nein. Es gibt Bauteile mit einem sehr langen Materialfluss, die für ein synthetisches Produkt zu anspruchsvoll wären. Generell müssen jedoch die Anzahl der Umformschritte, die optimierte Auslegung der Werkzeuge und der geschmiedete Werkstoff berücksichtigt werden, um eine genaue Aussage treffen zu können. Bei Werkstoffen wie Titan, Nickel und verschiedenen Sonderlegierungen ist die Verwendung eines weißen Schmierstoffs eher schwierig, denn die Härte des Materials und die damit verbundenen Anforderungen an den Schmierstoff sind recht hoch. Aus diesem Grund wird die Verwendung eines Wassergraphits empfohlen.