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Für ein Leichtbau-Forschungsvorhaben der Universität Stuttgart wurde nun im fränkischen Marktheidenfeld eine Xellar-Profilieranlage aufgebaut.
Foto: Profilmetall Engineering
Für ein Leichtbau-Forschungsvorhaben der Universität Stuttgart wurde nun im fränkischen Marktheidenfeld eine Xellar-Profilieranlage aufgebaut.

Umformtechnik

Rollformanlage integriert neuartige Fügeverfahren für den Leichtbau

Eine Rollformanlage mit einem integrierten Modul zum Rührreibschweißen soll die Ergebnisse des Leichtbau-Forschungsvorhabens „CO2-Hy Chain“ zu hochfesten Aluminium-Stahl-Verbindungen zur industriellen Reife bringen.

Von F. Stephan Auch, Stéphane Itasse

Ob Elektro- oder Verbrennungsmotor: Die Automobilindustrie arbeitet mit Hochdruck daran, ihre Fahrzeuge leichter zu machen. Denn mit geringerem Gewicht sinkt auch der Verbrauch, Reichweite und Nachhaltigkeit steigen. Um das Gewicht von Karosserien zu reduzieren, ohne die Sicherheit der Insassen zu beeinträchtigen, gibt es derzeit drei technische Möglichkeiten:

  • den verstärkten Einsatz höherfester Aluminium- und Stahllegierungen,
  • die Aluminium-Stahl-Mischbauweise und
  • die Nutzung von beanspruchungsoptimierten Tailor Welded Blanks (TWB) aus Stahlblechen unterschiedlicher Festigkeit und Dicke.

Die Automobilindustrie strebt eine Kombination dieser Ansätze in Form von hochfesten Aluminium- und Stahl-TWB und hybriden Aluminium-Stahl-TWB an, um das Fahrzeuggewicht weiter zu senken. Zu ihrer Herstellung hat die Universität Stuttgart im Rahmen des Leichtbau-Forschungsvorhabens „CO2-Hy Chain“ neuartige Schweißkonfigurationen und Wärmebehandlungsmethoden entwickelt. Sie ermöglichen erstmals das wirtschaftliche Fügen von hochfesten Aluminium-Stahl-Verbindungen mit unterschiedlich dicken Blechen. Hierfür wurde in Zusammenarbeit mit dem Projektkonsortium im fränkischen Marktheidenfeld eine Xellar Rollformanlage aufgebaut. So soll zukünftig die kosteneffiziente Herstellung von Tailor Welded Coils (TWC) im industriellen Maßstab möglich sein.

Tailor Welded Blanks im Großformat herstellen

Im Rahmen des Projekts „CO2-Hy Chain“ wollen die Forscher ihre Erkenntnisse jetzt gemeinsam mit verschiedenen Industriepartnern zur Serienreife bringen. Dazu sollen neuartige Anlagenkonzepte zur Fertigung großformatiger TWB sowie quasi-kontinuierlicher Tailor Welded Coils (TWC) in Aluminium-Stahl-Mischbauweise entwickelt werden. Übergeordnetes Ziel des Vorhabens ist es, durch den Technologietransfer von Forschungseinrichtungen zu industriellen Herstellern die bisher im Labormaßstab erforschten Verfahren weiterzuentwickeln und den Reifegrad der Wertschöpfungskette zu erhöhen. Das Vorhaben wird gemeinsam mit dem Projektträger Jülich (PTJ) umgesetzt und im Rahmen des Technologietransferprogramms „Initiative Leichtbau“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz mit öffentlichen Mitteln gefördert. Beim industriellen Fertigungsprozess werden zwei unterschiedliche Werkstoffe mittels Rührreibschweißen in einer Rollformanlage miteinander verbunden, zum Beispiel Aluminium und Stahl oder Stähle verschiedener Dicken. Dazu wird derzeit zusammen mit den Projektbeteiligten ein Umformmodul Xellar Roll 400 bei der Profilmetall Engineering GmbH in Marktheidenfeld aufgebaut. Die Blechmaterialien aus Aluminium und Stahl kommen von zwei Coils. Sie werden in die Profilieranlage geleitet und dort im Rollformmodul stoffschlüssig miteinander gefügt.

Rollformen noch Energieeffizienter

Rollformen ist als kaltumformende Technologie vergleichsweise energiesparend. Mit der Profilieranlage Xellar setzt Profilmetall noch einen obendrauf. 
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Durch Rührreibschweißen zur Aluminium-Stahl-Verbindung

Die thermisch nicht schweißbaren Materialien werden dabei in einem eigens entwickelten Modul für das Rührreibschweißen miteinander verbunden. Bei dem Vorgang wird ein rotierender Stift zwischen die Kontaktflächen zweier Werkstücke geführt. Durch die Reibung wird das Material plastifiziert und das Verschweißen der Werkstücke ermöglicht. Das Verfahren eignet sich besonders zum Fügen von Nichteisenmetallen mit niedriger Schmelztemperatur und für Mischverbindungen. In der Anlage werden Bleche zwischen 0,5 mm und 3,0 mm Dicke und 400 mm Gesamtbreite miteinander verbunden.

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Das Rührreibschweißen eignet sich besonders zum Fügen von Nichteisenmetallen mit niedriger Schmelztemperatur und für Mischverbindungen.
Der Ablauf von links nach rechts: Eintauchen des Werkzeugs in die Werkstücke und Halten/Vorwärmen, Fügen der Werkstücke durch translatorische Bewegung des Werkzeugs, Austauchen aus den Werkstücken, es verbleibt ein charakteristisches Endloch.
Foto: MPA Universität Stuttgart
Das Rührreibschweißen eignet sich besonders zum Fügen von Nichteisenmetallen mit niedriger Schmelztemperatur und für Mischverbindungen.
Der Ablauf von links nach rechts: Eintauchen des Werkzeugs in die Werkstücke und Halten/Vorwärmen, Fügen der Werkstücke durch translatorische Bewegung des Werkzeugs, Austauchen aus den Werkstücken, es verbleibt ein charakteristisches Endloch.

Modularer Anlagenaufbau erleichtert Verfahrensintegration

„Der große Vorteil unserer Xellar-Rollformanlagen ist ihr modularer Aufbau. Dadurch können wir die unterschiedlichsten Fertigungsverfahren mit einem eigenen Modul leicht integrieren“, erklärt Geschäftsführerin Simone Weyerich. Für das Forschungsprojekt CO2-Hy Chain hat das Unternehmen ein eigenes Modul zum Rührreibschweißen konstruiert. Die Spindel für dieses Fügeverfahren kommt vom Partnerunternehmen Preter CNC Dreh- und Frästechnik GmbH & Co. KG in Tengen. Die verfahrens- und werkstofftechnischen Grundlagen wurden in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten am MPA der Universität Stuttgart erarbeitet. Dieses Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

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zum Rührreibschweißen auf Basis der Xellar Roll 400 konstruiert.
Foto: Profilmetall Engineering
Für das Forschungsprojekt CO2-Hy Chain hat das Unternehmen ein eigenes Modul zum Rührreibschweißen auf Basis der Xellar Roll 400 konstruiert.

Module der Projektanlage auf der Blechexpo

Eine Fertigungszelle der Rollformanlage vom Typ Xellar 400 ist für alle Interessierten auf der Blechexpo 2023 am Messestand der Profilmetall Gruppe zu sehen. Sie ergänzt die bisherigen Baugrößen Xellar 200 und Xellar 300 um eine Variante für 400 mm Blecheinlaufbreite, die sich insbesondere für die Fertigung hochbelastbarer Funktionsbauteile eignet. Im Gegensatz zu den kleineren Rollformanlagen sieht das Antriebskonzept der Xellar 400 bis zu vier Antriebe mit jeweils 20 kW Leistung pro Modul vor. „Damit haben wir die Verarbeitung höherfester Materialien im Blick“, berichtet Peter Sticht, Leiter Innovation und Projekt Management Office bei Profilmetall Engineering. Bisher sind bei den anderen Xellar-Baureihen standardmäßig zwei Antriebe enthalten. Auf Wunsch sind zur energetischen Optimierung der Gesamtanlage auch individuelle Antriebskonfigurationen realisierbar.

Xellar-Rollformanlagen verarbeiten auch hochfeste Dualphasenstähle

„Die Verarbeitung hochfester Werkstoffe ist grundsätzlich mit allen Baureihen möglich“, erklärt Sticht weiter. Die Xellar 400 kann kaltgewalzten Dualphasenstahl bis 1,5 mm Dicke und einer Zugfestigkeit von circa 1.200 MPa umformen. „In der bisher konzipierten Schwerlastvariante haben wir ein Abtriebs-Drehmoment von 1.000 Nm pro Antriebswelle.“ Mit dieser Ausstattung kann die Xellar 400 auch für die Produktion von Rohren und Trägerprofilen eingesetzt werden. Die kleineren Varianten Xellar 200 und 300 sind hingegen ideal für die Bearbeitung von filigranen Profilbauteilen, zum Beispiel Zierleisten, oder zum Einformen komplexer, dünnwandiger Bauteile. Neben einer angepassten Antriebsleistung bieten die Profilieranlagen auch ein variables Übersetzungsverhältnis. Zusätzlich können Stanz- und Trennmodule in die Gesamtanlage integriert werden. Die Antriebsart – Hydraulik oder Servo-Elektrik – legen die Xellar-Entwickler optimiert auf den jeweiligen Einsatzfall fest. Entsprechend dem Kraftbedarf wird dann auch die Antriebsleistung konzipiert. Über die gesamte Rollformanlage hinweg betrachtet, ist im Verbund mit weiteren Fertigungszellen zudem eine Energierückgewinnung möglich. Sie erfolgt durch die Kombination von Modulen mit diskontinuierlichen Prozessschritten wie dem Stanzen, dem Trennen oder dem Abwickeln an der Haspel. Die Energie wird kurzzeitig in einem Zwischenkreis gespeichert und für kontinuierliche Arbeitsschritte wie das Rollformen genutzt. Dieses Vorgehen senkt die erforderliche Anschlussleistung für die gesamte Anlage durch die Minimierung der Spitzenlast. Profilmetall kann die Anlagen dadurch mit einer kleineren Nennleistung auslegen und dem Kunden wirtschaftlicher anbieten.

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„Die Verarbeitung hochfester Werkstoffe ist grundsätzlich mit allen Baureihen möglich“, erklärt Peter Sticht, Leiter Innovation und Projekt Management Office.
Foto: Profilmetall Engineering
„Die Verarbeitung hochfester Werkstoffe ist grundsätzlich mit allen Baureihen möglich“, erklärt Peter Sticht, Leiter Innovation und Projekt Management Office.

Neue Baugröße bringt weitere Innovationen

Mit der neuen Baugröße führt der Rollformspezialist weitere Innovationen für seine Rollformanlage ein. Zum Beispiel hat der Hersteller eine neuartige Haubenöffnung für die Stanz- und Trennmodule entwickelt, durch die die Maschine eine geringere Gesamthöhe erreicht. „Die Xellar-Anlage ist auf diese Weise auch in kleinen Hallen einsetzbar. Zudem ist es leichter, einzelne Module für einen Umbau der Gesamtanlage zu versetzen oder auszutauschen. Auch für Wartungszwecke lassen sich die integrierten Werkzeuge auf diese Weise leichter entnehmen“, erklärt Weyerich. Außerdem kann durch das innovative Konzept auf störende Stützen im Arbeitsraum verzichtet werden. Das erleichtert die Kaskadierung der einzelnen Module innerhalb der Rollformanlage und ermöglicht einen durchgängigen Arbeitsbereich.

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„Die Xellar-Anlage ist auch in kleinen Hallen einsetzbar. Zudem ist es leichter, einzelne Module für einen Umbau der Gesamtanlage zu versetzen oder auszutauschen. Auch für Wartungszwecke lassen sich die integrierten Werkzeuge leichter entnehmen“, erklärt Geschäftsführerin Simone Weyerich die Vorteile der neuartigen Haubenöffnung.
Foto: Profilmetall Engineering
„Die Xellar-Anlage ist auch in kleinen Hallen einsetzbar. Zudem ist es leichter, einzelne Module für einen Umbau der Gesamtanlage zu versetzen oder auszutauschen. Auch für Wartungszwecke lassen sich die integrierten Werkzeuge leichter entnehmen“, erklärt Geschäftsführerin Simone Weyerich die Vorteile der neuartigen Haubenöffnung.

Das Schweißmodul ist in Entwicklung

Für alle Xellar-Anlagen entwickelt der Hersteller sein flexibles Fertigungskonzept kontinuierlich weiter. Neben Modulen zum eigentlichen Umformen der Blechbänder mittels Walzen gibt es auch Roll-, Cut- und Punch-Module. Das Thema „Fügen“ hat hierbei Priorität. „Momentan ist ein Modul zum Schweißen in der Entwicklung“, verrät Weyerich abschließend, „wir werden es voraussichtlich auf der Tube im April 2024 in Düsseldorf präsentieren.“

Blechexpo, Halle 3, Stand 3105

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Neben Modulen zum eigentlichen Umformen der Blechbänder mittels Rollformen existieren auch Einheiten zum Ablängen und Stanzen der Bauteile (Cut- und Punch-Module).
Foto: Profilmetall Engineering
Neben Modulen zum eigentlichen Umformen der Blechbänder mittels Rollformen existieren auch Einheiten zum Ablängen und Stanzen der Bauteile (Cut- und Punch-Module).

 

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Cleveres Energiemanagement: Durch das Abbremsen der eingesetzten Servomotoren kann Energie zurückgewonnen werden und für den Rollformprozess eingespeist werden.

Umformtechnik

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Rollformen ist als kaltumformende Technologie vergleichsweise energiesparend. Mit der Profilieranlage Xellar setzt Profilmetall noch einen obendrauf. 

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Die neue Konsolenbauweise erleichtert den Zugang und  Werkzeugwechsel der Xelllar-Anlagen.

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Werkstoffe

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    • Werkstoffe, Fügen + Verbinden, Aluminium, Stahl
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Anders als beim klassischen Rührreibschweißen rotiert beim Rührreibschweißen mit fester Schulter nur der Schweißstift . So entsteht während der Vorschubbewegung entlang der Schweißnaht eine ebene, glatte Nahtoberfläche.

Schweißen

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    • Schweißen, Fügen + Verbinden