Von Sarah Schulz
„Wir sagen ganz klar: Wir sind kein reiner Lohnlieferant. Es gibt viele Betriebe, die einfach die Ware gemäß der Beauftragung bearbeiten. Das machen wir nicht“, stellt Martin Schmid, Geschäftsführer der Ehinger Shoptec GmbH, bei der Besichtigung des Werks im Rahmen dieser Reportage klar. Stattdessen bezeichnet er Shoptec als Entwicklungspartner: „Wir müssen das Produkt verstehen, wir müssen den Kunden verstehen. So können wir bei der Entwicklung der Teile bestmöglich unterstützen und mitwirken.“ Ein Mehrwert, durch den sich das Unternehmen von anderen Fertigern abhebt. Daneben bietet Shoptec seinen Kunden noch weitere Vorteile. Zu denen zählen eine hohe Liefertreue, eine umfangreiche eigene Fertigung sowie eine kundennahe Betreuung und Beratung. Doch viel spannender als eine reine Aufzählung finde ich die Frage, wie und warum das Unternehmen gerade in diesen Punkten glänzt. In dieser Ausgabe unserer Reihe „BLECH auf Achse“ will ich mir also ein Beispiel an Shoptec nehmen und das Unternehmen verstehen, statt es lediglich zu beschreiben. Also auf zur Spurensuche:
Optimierung gleich mitgedacht
Um zu verstehen, wie Shoptec diese Stärken entwickeln konnte, hilft ein Blick auf die Firmenhistorie. Nehmen wir zum Beispiel den Umstand, dass Shoptec bei eingehenden Aufträgen die Optimierung gleich mitdenkt. Hierzu ist es wichtig, zu wissen, dass die Ursprünge von Shoptec im Ladenbau liegen. Im Unterschied zur Industrie stammen die Entwürfe in dieser Branche meist von Designern oder Innenarchitekten und nicht von Konstrukteuren. „Diese kommen in der Regel nicht aus der Metallbranche. Das hat dazu geführt, dass wir die Anfragen immer gleich prüfen und dem Kunden Vorschläge liefern, wie man das Produkt wirtschaftlicher gestalten kann“, erklärt Schmid. Unter Wirtschaftlichkeit werden hier mehrere Aspekte subsumiert – Ziel sei eine kostengünstige, materialsparende und/oder frachtoptimierte Konstruktion. Ein Beispiel: „Ein Designer schlug bei einem Serienmöbel einen speziellen Radius bei einem Rohr vor. Das machte das Rohr und damit das Produkt unverhältnismäßig teuer. Um das zu demonstrieren, haben wir ein Mustermöbelstück mit einem gängigen Radius konstruiert und der zuständigen Abteilung vorgestellt“, erinnert sich Schmid. Die 25-prozentige Kostenreduktion, die so erzielt wurde, konnte schließlich überzeugen.
Hohe Liefertreue
Die hohe Liefertreue, die Shoptec übrigens auch während der Pandemie aufrechterhalten konnte, ist ebenfalls ein Resultat des Ladenbaugeschäfts: „Aus dem Ladenbau kennen wir uns aus mit Just-in-Time-Lieferungen – steht ein Termin, muss er auch klappen“, so der Geschäftsführer. Dies gelte auch bei Lieferengpässen oder Maschinenausfällen. Deswegen müsse nicht nur der Einkauf schnell reagieren, sondern es sollten auch Alternativen für den Fall eines Maschinenstillstands vorhanden sein. Dies werde zum einen dadurch sichergestellt, dass mehrere Anlagen im Werk bereitstehen, zum anderen, indem Shoptec ein breit gefächertes Netz an Lieferanten pflegt, die im Notfall beauftragt werden. Diese Partner springen auch bei Lastspitzen ein. „Es ist zwar wirtschaftlich nicht immer die sinnvollste Entscheidung, auf Externe zurückzugreifen, aber unerlässlich, um Risiken und Spitzen abzufangen“, fasst Schmid zusammen.
Eigene Fertigung in Ungarn
Kommen wir zum dritten Punkt: der umfangreichen eigenen Fertigung. Mit dieser verknüpft ist eine weitere Besonderheit, nämlich dass Shoptec nicht vor Ort in Deutschland produziert, sondern auf ein Werk in Ungarn zurückgreift. Dieses Werk war ursprünglich Sitz eines Wettbewerbers der R. Bohnacker Gruppe, zu der auch Shoptec gehörte. Die R. Bohnacker Gruppe kaufte die Mittbewerber in den 90ern auf – seitdem wird in Ungarn in der Nähe von Györ produziert. Hier ist ausreichend Platz vorhanden für stetige Werkserweiterungen, auch der Fachkräftemangel ist weniger spürbar. Gleichzeitig hat sich durch die jahrzehntelange Zugehörigkeit zum deutschen Standort ein Gemeinschaftsgefühl etabliert, die Abläufe sind eingeschliffen und der Maschinenpark ist auf einem hohen Niveau, der deutschen Fertigungen in nichts nachsteht. Moderne Premiummaschinen von Trumpf, Salvagnini, BLM, Timesavers und vielen mehr reihen sich an altgediente Veteranen von Helmerding, GSW Schwabe und Müller. Hightech trifft auf Tradition. Es werden alle relevanten Fertigungsschritte im Bereich Stahl, Edelstahl und Aluminium inhouse durchgeführt– vom Trennen übers Fügen und Umformen bis zur Oberflächenbearbeitung.
Breit gefächertes Know-how in der Metallbearbeitung
Die letzte wichtige Frage, die sich nach diesen Erklärungen stellt, ist, wie es Shoptec vom Ladenbau in die Blechfertigung verschlagen hat. Diese Entwicklung setzte Ende der 2010er Jahre ein: „Beim Ladenbau und im Retail handelt es sich vornehmlich um Projektgeschäft. Aber damals war schon klar, dass es durch das Onlinegeschäft zu Veränderungen in der Branche kommen wird. Außerdem war das Geschäft sehr saisonal – vor allem zum Weihnachts- und Ostergeschäft wurde viel gebaut“, rekapituliert Schmid die damalige Lage. „Wir haben deswegen überlegt, wie wir diese Schwankungen ausgleichen können. Unsere Lösung hieß mehr Diversität in der Kundenstruktur, sodass wir das Werk kontinuierlich auslasten können.“ In der Folge richtete Shoptec seine Vertriebsbemühungen auf die regenerativen Energien, die Pharma- und Möbelbranche sowie den Maschinen- und Anlagenbau aus. Inzwischen stammt mehr als die Hälfte des Umsatzes aus dem Industriebereich. Dank der inzwischen sehr unterschiedlich aufgestellten Kunden hat Shoptec sich ein breit gefächertes Know-how erarbeitet, sowohl was die Fertigungsschritte angeht als auch die Bedürfnisse der verschiedenen Branchen.
Status Quo
Shoptec definiert sich nun als Komplettanbieter im Bereich Metallbearbeitung – und wie bereits eingangs erwähnt als Entwicklungspartner für Unternehmen: „Als Entwicklungspartner gibt es bei uns vier Bausteine. Das sind erstens Wertanalysen, zweitens Neuentwicklungen, bei denen wir vom ersten Gedanken an unterstützen. Als drittes bieten wir Weiterentwicklungen von Bestandsprodukten an. Prototyping rundet unser Portfolio ab“, fasst Christian Schwarzkopf, Key-Account Manager bei Shoptec, zusammen. Diese Services werden komplett vom Vertriebsteam in Deutschland übernommen, wodurch deutschsprachige Kunden von der örtlichen Nähe und der gemeinsamen Sprache profitieren. In Ehingen trifft man sich auch gemeinsam zum Technik-Jour-Fixe, im Rahmen dessen die Neuteile gemeinsam bewertet werden. „Wir schauen uns dabei nicht nur an, ob das Teil technisch machbar ist. Sondern wir vergleichen auch mehrere Fertigungstechnologien miteinander. Nehmen wir eine Blechschere oder den Flachbettlaser? Wäre der Rohrlaser oder die Bohrmaschine sinnvoller? Handschweißen oder Roboterschweißen?“, fährt der Geschäftsführer fort. „In unseren Angeboten tauchen dann meistens mehrere Varianten an Fertigungstechnologien auf, aus denen unsere Kunden wählen können.“ Aber auch Bestandsprodukte prüft Shoptec regelmäßig auf Optimierungsbedarf – zum Beispiel dann, wenn eine neue Fertigungstechnologie verfügbar ist.
Übergabe an Ungarn
Während der Vertrieb und das Backoffice in Ehingen sitzen, übernimmt man in Ungarn alles, was direkt mit der Produktion in Verbindung steht. Dazu zählen die Kalkulation, die Konstruktion, der Einkauf und natürlich die Fertigung selbst. Diese gliedert sich wiederum in drei Segmente: die Blechfertigung, die Rohrbearbeitung und das Assembling. „Bei der Blechfertigung setzen wir größtenteils auf Trumpf, wir haben aber auch einige italienische Maschinen im Portfolio, wie einen Salvagnini-Laser und zwei BLM-Rohrlaser“, so Schmid. „Trotzdem gehen wir bei Neuanschaffungen jedes Mal in den Research und nehmen uns die Zeit, typische Bauteile bei den Maschinenherstellern produzieren zu lassen. Damit wollen wir uns überzeugen, dass es auch wirklich der beste Weg ist.“ Generell gehe es beim eigenen Maschinenpark um Qualität, Langlebigkeit und geringe Ausfallzeiten. Ähnliches gilt auch für die Werkstoffe, die in Ungarn verarbeitet werden: Hier setzt Shoptec vor allem auf hochwertigen Stahl aus Deutschland und Österreich: „Bei günstigerem Stahl haben wir die Erfahrung gemacht, die Materialtoleranzen häufig eine größere Spreizung haben, sei es die Blechstärke, der Rohrradius oder die Zusammensetzung des Materials. Dadurch ist höherwertiger Stahl besser zu verarbeiten“, ergänzt Schwarzkopf. „Das gute Ausgangsmaterial hat aber auch zur Folge, dass unsere Kunden durchgängig gute Qualität erhalten.“ Die Stahlverarbeitung macht derzeit etwa 70 Prozent des Umsatzes aus, Edelstahl liegt bei fast 30 Prozent.
Investition in den Kunden
Auch stetige Investitionen in den Maschinenpark gehören zur DNA von Shoptec: „Wir prüfen regelmäßig, welche Anforderungen unsere Kunden an uns stellen, und wie wir aufgestellt sein müssen, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Auf Basis dessen analysieren wir unseren künftigen Bedarf und starten damit in die Investitionsphasen“, erklärt der Geschäftsführer. Zu den Anschaffungen der letzten Zeit gehören eine Flächenschleifanlage der 42 RB Series von Timesavers und ein Flachbettlaser Tru Laser 5030 samt Lagerturm Tru Store 3030 von Trumpf. Für die Anlage von Timesavers sprach vor allem, dass sie trocken arbeitet, sodass keine aufwändige Reinigung notwendig ist. Die Gründe für die Anschaffung der Trumpf-Produkte waren vielfältig: „Mit 12 kW Laserleistung können wir mit dem neuen Laser sehr schnell und in hoher Qualität zuschneiden beziehungsweise hohe Materialstärken verarbeiten“, gibt Schmid die damalige Argumentation wieder. Wichtig war auch das Thema Nachhaltigkeit. Restbleche können durch die systematische Dokumentation und Lagerung – unter anderem mithilfe der Anbindung an das ERP-System Pro Alpha – optimal verwertet werden, was den Verschnitt und die Kosten reduziert. Neben diesen beiden Neuanschaffungen wurde im vergangenen Jahr stark in das Layout und die Infrastruktur investiert. „Das Produktionslayout wurde an die Linienfertigung angepasst. Gleichzeitig wurden die Büro- und die Sozialräume modernisiert, um eine noch angenehmere Arbeitsatmosphäre zu schaffen“, schließt Schmid die Aufzählung ab.
Ein moderner Industriebetrieb
Langfristig soll vor allem die Fertigungsbreite weiter ausgebaut werden. Es wird angestrebt, bei den Werkstoffen Edelstahl und Aluminium die gleiche Wertschöpfung anzubieten, die gerade schon im Bereich Stahl möglich ist. In den letzten zwei Jahren wurde dafür die Edelstahlfertigung auf eine Fläche von 2.000 m² erweitert. Zudem sollen mehr und mehr Fertigungsschritte automatisiert werden. Martin Schmid fasst es treffend zusammen: „Wir möchten ein moderner Industriebetrieb sein und bleiben – High-End-Maschinen, moderne Prozesse, motivierte Menschen. Viele haben schon ein Werk in Osteuropa besucht und dabei keine so guten Erfahrungen gemacht. Wenn sie dann hier sind, sehen sie die großen Marken, sehen sie unsere gut organisierten Abläufe und die externe Qualitätssicherung. Kurz: Wir wollen weiterhin Erwartungen übertreffen.“