Foto: Fraunhofer IPA / Rainer Bez

Handhabung

Weiterer Baustein für den Griff in die Kiste

Im Forschungsprojekt „Fab OS“ entwickelt das Fraunhofer IPA eine Anwendung, die das verbesserte Erkennen, Greifen und definierte Ablegen von Blechteilen ermöglicht.

Der Griff-in-die-Kiste gilt als Königsdisziplin der Robotik und ist in vielen Produktionen eine nachgefragte Option. Allerdings sind die Herausforderungen beträchtlich, sodass die Anwendung oft nicht umgesetzt wird. Hierfür gibt es zwei typische Gründe. Zellen mit Griff-in-die-Kiste sind das erste Glied einer verketteten Produktions- oder Montagelinie, müssen also einen garantierten Takt erbringen. Oft erkennt das Robotersystem aber nicht alle Teile, sodass Mitarbeitende die Reste händisch entnehmen müssen. Das bringt die Linie aus dem Takt. Hinzu kommt: Je leerer die Kiste wird, umso länger braucht oft das Robotersystem zur Entnahme. Die Schwankungen in der Taktzeit können entweder über Worst-Case-Auslegung oder Puffer ausgeglichen werden. Beides ist nicht ideal.

Fraunhofer IPA wagt Blick in die Kiste

Um diese Probleme zu lösen, entwickelt das Fraunhofer IPA seit vielen Jahren die Technologien rund um den Griff-in-die-Kiste weiter. Besonders im Blick haben die Forscher Lösungen für Bauteile, die für die Bildverarbeitung des Robotersystems schwierig zu erkennen sind. Der neu entstehende Demonstrator setzt deshalb die Griff-in-die-Kiste-Anwendung mit Blechteilen um. Die Anwendung wurde mit dem Praxispartner im Projekt, der Firma Trumpf, definiert, der auch die Bauteile bereitstellt. Die IPA-Experten entwickeln die Anwendung gemeinsam mit der Firma Compaile. Der entstehende Demonstrator ist Teil des Forschungsprojekts „Fab OS“, dessen Ziel es ist, ein offenes, verteiltes, echtzeitfähiges und sicheres Betriebssystem für die Produktion zu schaffen.

Herausforderungen der Blechteilerkennung

Aufgabe der IPA-Experten ist, ihre Algorithmen für die Bildverarbeitung an die Herausforderungen der Blechteilerkennung anzupassen. Hierfür nutzen sie die bestehende Software BP 3, die bereits in einigen Produktionen im Dreischichtbetrieb im Einsatz ist und die Firmen über eine Lizenz erwerben können. Um die flachen Blechteile gut erkennen zu können, werden zunächst mithilfe von Kameras 3D-Daten der Bauteile erzeugt. Die Algorithmen fokussieren sich dann auf Flächen und Kanten, um die Bauteile besser erkennen und sie insgesamt robuster und schneller handhaben zu können. Dazu gehört auch das definierte Ablegen, damit das Bauteil direkt dem nächsten Prozessschritt zugeführt werden kann. Perspektivisch ist geplant, mithilfe von KI-Methoden ein kontinuierliches Lernen zu ermöglichen. Das heißt, dass die Software beispielsweise aus Fehlgriffen lernen würde. Gibt es mehrere Griff-in-die-Kiste-Zellen, könnten die Daten aller Zellen zentral verarbeitet und Erkenntnisse daraus an die Zellen zurückgespielt werden. Auch ist geplant, das Robotersystem anhand von Bauteildaten in einer Simulationsumgebung für das Greifen zu trainieren.

Zuordnung zu Konstruktionsplänen

Die Firma Compaile ergänzt die Anwendung mit einer KI-basierten Bauteilerkennung. Diese beruht nicht auf klassischer Bildverarbeitung, sondern auf einem inhaltlichen Ähnlichkeitsvergleich des Bauteils. Basierend auf neuronalen Netzen kann das Bauteil vorliegenden Konstruktionsplänen zugeordnet werden. Zudem geben die neuronalen Netze aus, wie wahrscheinlich es ist, dass sie mit ihrer Angabe richtigliegen. So kann die Anlage sich vollautomatisch auf das aktuelle Bauteil einstellen, ohne dass eine Fachkraft dieses Bauteil vorgeben muss. Im Gegensatz zur üblichen Klassifizierung mit neuronalen Netzen benötigt der inhaltliche Ähnlichkeitsvergleich keine Anpassungen für neue, bisher unbekannte Bauteile. Die beschriebene Technologie der KI-basierten Bauteilerkennung wird bereits auf der diesjährigen Hannover Messe, Halle 5, Stand F54, zu sehen sein. Weiterhin planen die Projektpartner, den gesamten Demonstrator mit allen dazugehörigen Technologien vom Fraunhofer IPA und von Compaile im Laufe des kommenden Jahres zu präsentieren.