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Vollautomatischer Kran für Werkzeuge und Material

Flexible Kranlogistik: Zur schnellen Versorgung seiner Anlagen mit den bis zu 7 t schweren Werkzeugen fand ein Presswerk eine vollautomatische Lösung.

Die Alzner Automotive GmbH, die vor allem Automobilteile herstellt, setzt für die vollautomatische Lagerung von Werkzeugen und Material auf flexible Kranlogistik aus dem Hause H+H Herrmann + Hieber. Durch stapelbare Gestelle wird dabei im Vergleich zu einem als ein staplerbedienten Hochregallager eine um 50 % bessere Ausnutzung der Hallenhöhe erreicht. Und der Einsatz von Barcodes an den Gestellen ermöglicht zusammen mit der Anbindung an die AV- beziehungsweise ERP-Software eine vollautomatische just-in-time-Bereitstellung der Werkzeuge am Einsatzort.

Häufiges Umrüsten verlangt Schnelligkeit und Effizienz

„Da wir im Pressenbereich eine Vielzahl unterschiedlichster Produkte in stark variierenden Stückzahlen von einigen 10.000 Teilen bis herab zu einzelnen Prototypen herstellen, müssen wir unsere Anlagen häufig umrüsten“, berichtet Hans-Martin Tekeser, Geschäftsführer der Alzner Automotive in Grafenau. Flexibles Eingehen auf Kundenwünsche hat dabei für das 2004 gegründete Unternehmen höchste Priorität.

Bei den meisten Werkzeugen handelt es sich um sogenannte Folgeverbundwerkzeuge. Diese stellen im Prinzip selbst komplexe Anlagen dar, in denen die gewünschten Teile in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten aus einem durchlaufenden Band zunächst gestanzt und anschließend schrittweise umgeformt werden. Sie bestehen aus Ober- und Unterteil mit zahlreichen beweglichen Teilen, sind bis zu 6 m lang und bringen bis zu 7 t auf die Waage.

Die komplexen Folgeverbundwerkzeuge für die Pressen wiegen bis zu 7 t.

Vollautomatische Lagerung von rund 100 Werkzeugen

Nach dem Einsatz werden die Werkzeuge überprüft, gewartet und anschließend wieder eingelagert. Die Schnelligkeit und Effizienz beim Tausch sowie beim Ein- und Auslagern dieser Werkzeuge haben großen Einfluss auf die Produktivität der Anlagen und damit auf die Wirtschaftlichkeit der Fertigung. „Auf der Suche nach einer geeigneten Lösung fragte Alzner Ende 2018 bei uns an“, erinnert sich Jan Guthmann, Geschäftsführer der H+H Herrmann + Hieber GmbH in Denkendorf. Es ging um den Transport und die vollautomatische Lagerung von rund 100 Werkzeugen in zwei Hallen mit einer dazwischen liegenden überdachten Kaltstrecke für LKW-Transporte.

Die spezifischen Anforderungen des Kunden

Neben hoher Geschwindigkeit des Austauschs wurden auch ein möglichst geringer Bedarf an Hallenfläche sowie bestmögliche Nutzung der vorhandenen Hallenhöhe gefordert. Zudem sollte sich die Anlage nicht nur für die Einlagerung von Werkzeugen, sondern auch von Coils sowie von auf Europaletten gelagerten Blechen eignen. Für den Weitertransport der Werkzeuge oder Materialien von und zu den Pressen oder den externen Übergabestellen sollten sowohl die vorhandenen Hallenkrane als auch Schwerlast-Gabelstapler eingesetzt werden können. Besonderen Wert legte der Kunde auf größtmögliche Zuverlässigkeit des Systems, da hiervon die Versorgung der Pressen, die Presskräfte von bis zu 630 t erreichen, abhängt.

Ein Kran gibt Vollgas

„Die von uns vorgeschlagene Lösung besteht aus einem vollautomatischen Kran in Kombination mit Gestellen, zwei ebenerdigen Übergabeshuttles sowie einem Brückenshuttle zu einem Übergabeturm in der Nachbarhalle“, erläutert J. Guthmann. Die Kranbahn wurde freitragend auf eigenen Stützen realisiert. Der auf Geschwindigkeit ausgelegte Kran mit 8,5 t Tragfähigkeit erreicht eine Hubgeschwindigkeit von 0,3 m/s und eine lineare Verfahrgeschwindigkeit von 1,5 m/s.

Der vollautomatische Kran hat das benötigte Werkzeug just-in-time aus dem Lager geholt und per Shuttle in der Halle bereitgestellt.

Selbsttragende stapelbare Gestelle

Herausragende Besonderheit der Lösung ist die Verwendung selbsttragender stapelbarer Gestelle. Im Vergleich zu einem klassischen staplerbedienten Hochregallager war es dadurch möglich, innerhalb der vorhandenen Hallenhöhe sechs statt nur vier Werkzeuge übereinander zu lagern. Durch Verwendung eines automatischen Blocklagers mussten zudem keine zusätzlichen Stapler-Rangierflächen freigehalten werden.

Die einzelnen Gestelle werden vom Kran mithilfe einer von vier Seilen gehaltenen Greifertraverse übereinander gestapelt beziehungsweise auf Übergabeshuttles abgesetzt und aus dem Lagerbereich ausgeschleust. Die Anbindung an die Pressen in der benachbarten Halle erfolgt über eine Hochbrücke mithilfe eines separaten Shuttles. Somit kann der LKW- und Staplerverkehr im Zwischenbereich ungestört abgewickelt werden. In der Nachbarhalle werden die Gestelle von einem Vertikalförderer übernommen und entweder in vier Lagerfächern zwischengelagert oder direkt ausgeschleust.

Chaotische Lagerverwaltung für maximales Lagervolumen

„Die Verwendung eines Blocklagers mit Lagergestellen ermöglicht eine optimale Kapazitätsnutzung des verfügbaren Lagervolumens. Die Lagerverwaltung ist dabei chaotisch organisiert“, verrät J. Guthmann. Um an ein Gestell in einer der unteren Lagen heranzukommen, müssen die jeweils drüber gestapelten Gestelle abgehoben und auf andere Stapel gesetzt werden. Die jeweiligen Lagerorte wechseln daher ständig und sind nur der Steuerung bekannt.

Diese Sortierzyklen erledigt der Kran in den Pausen zwischen den einzelnen Versorgungsfahrten. Dadurch kann die Stapelfolge im Lager ständig optimal auf die jeweilige ERP-Planung abgestimmt werden. Das System arbeitet mit umfangreichen Lagerstrategien, so werden zum Beispiel selten benötigte Gestelle in den unteren und äußeren Lagerebenen gelagert.

Nach gründlicher Prüfung die richtige Entscheidung getroffen

„Da wesentliche Teile unserer Produktion von dieser zentralen Werkzeuglogistik abhängen, ging der Entscheidung für Herrmann+Hieber eine gründliche Prüfung voraus“, erzählt Tekeser. Das Unternehmen verfüge über einen guten Ruf, auch was die Qualität und Haltbarkeit der realisierten Projekte angeht.

Die Gespräche begannen im Jahr 2018 und zeigten schnell, dass Beratung und Planung mit hoher fachlicher Kompetenz erfolgten. Obwohl es sich bei den einzelnen Komponenten um bewährte Produkte handelte, war die Anlage in dieser Form dennoch ein Unikat, unter anderem mit Blick auf die hohe Kranbelastung von insgesamt 8,5 t. Die Gesamtinbetriebnahme wurde im Oktober 2019 erfolgreich abgeschlossen. „Hinsichtlich der Qualität wurden unsere Erwartungen erfüllt und wir gehen von einer langjährigen partnerschaftlichen Zusammenarbeit aus“, bilanziert Tekeser abschließend. 

Foto: Klaus Vollrath
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