Foto: Klaus Vollrath

Beschichten

Anlagen länger nutzen

Dank maßgeschneiderter Hochleistungsbeschichtungen lässt sich die Gebrauchsfähigkeit von korrodierten Bauteilen wieder herstellen.

Von Klaus Vollrath

Die Eigenschaften mechanischer Bauteile lassen sich heute dank moderner CAD-Systeme relativ einfach und mit hoher Zuverlässigkeit berechnen. Bei den Oberflächen verhält es sich dagegen anders: Obwohl die Oberflächenschicht nur wenige Gewichtsprozent ausmacht, entscheidet sie maßgeblich über die Lebensdauer. Dabei könnten sich schon vergleichsweise geringfügige Variationen der Umgebungsbedingungen erheblich auf die Lebenserwartung auswirken. Deshalb setze zum Beispiel Martin Bührer, Inhaber der Bührer AG, bei Kundenanfragen auf Beratung und Problemlösung: Wie sehen die Einsatzbedingungen aus, welches Verschleißbild zeigt sich bei den Bauteilen und welche Besonderheiten sind gegebenenfalls zu beachten. Anschließend sei zu klären, welche Beschichtungsvarianten – metallisch, keramisch oder mehrlagig – am ehesten infrage kämen und mit welchem Verfahren sie am besten aufzubringen seien. Erforderlichenfalls würden dazu auch Versuche durchgeführt. Für das Aufbringen der Beschichtungen kommen leistungsfähige thermische Spritzverfahren wie atmosphärisches Plasmaspritzen (APS), Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen (HVOF), Lichtbogenspritzen sowie Flammspritzen zur Anwendung.

Bereit für das Unkonventionelle

Die Beschichtung erfolgt bei Bührer auf zwei Stationen, darunter eine moderne Anlage von OSU-Hessler. In beiden stehen Roboter, mit deren Hilfe auch komplexe Geometrien dreidimensional beschichtet werden können. Zudem ist der Geschäftsführer bereit, bei Sonderaufgaben auch zusätzliche Ausrüstungen wie eine Station für das automatisierte Abbürsten herzustellen oder zu beschaffen. Dank dieser Flexibilität könne er auch unkonventionelle Aufgabenstellungen übernehmen. „Wichtig ist darüber hinaus, dass wir dem Kunden ein komplettes Paket an vor- und nachgeschalteten maschinellen Bearbeitungen anbieten“, ergänzt Bührer. Dadurch erhalte der Abnehmer das gesamte Leistungspaket aus einer Hand und in einer Verantwortung. Zudem gehe es dadurch auch schneller und günstiger, weil Schnittstellen, Transportaufwendungen und Verzögerungen entlang der Logistikkette entfallen. Deshalb investiere er kontinuierlich in die Erweiterung seines Maschinenparks. Vorhanden seien CNC-gesteuerte Anlagen für das Fräsen und Drehen sowie eine CNC-gesteuerte Innen- und Außenrundschleifmaschine für Durchmesser bis 300 mm. Ergänzt werde dies durch eine konventionelle Drehmaschine für Durchmesser bis zu 500 mm und Bauteillängen bis zu 3.000 mm.

Foto: Klaus Vollrath Dieses Gehäuse für einen Gassensor wird im Offshorebereich extrem auf Korrosion beansprucht. Das Bauteil aus Edelstahl erhielt einen dicken Aluminium-Auftrag. Eine zusätzliche Lackschicht bietet weiteren Schutz.

So läuft die Beschichtung ab

„Im Unterschied zu den üblichen Härteverfahren muss das Werkstück zum Aufspritzen nicht hoch erwärmt werden, sodass weder Gefügeveränderungen noch Verzug auftreten“, verrät Bührer. Das aufzutragende Material wird durch Hitze verflüssigt und fein zerstäubt in Form von Tröpfchen auf das Werkstück zu beschleunigt. Beim Auftreffen auf die Oberfläche schmiegen sich die Tröpfchen der Form des Bauteils an und dringen dabei selbst in kleinste Vertiefungen ein. Bei ihrer Erstarrung entsteht daher eine fest haftende Verbindung, die teils auf Verschweißung und teils auf Verklammerung beruht. Sie kann problemlos mit mechanischen Verfahren wie Fräsen, Drehen, Bohren oder Schleifen bearbeitet werden. Da keine chemische Reaktion erfolgt, können unterschiedlichste Beschichtungswerkstoffe verwendet werden, ohne sich über chemische Kompatibilität Gedanken machen zu müssen. Auch sind je nach Technologie und Werkstoff teils hohe Schichtdicken bis zu 10 mm möglich. Metalle werden meist in Form von Draht verarbeitet, der durch einen Lichtbogen verflüssigt und anschließend durch einen scharfen Gasstrahl zerstäubt und in Richtung des Werkstücks beschleunigt wird. Bei Keramikwerkstoffen kommen feine Pulver zum Einsatz, die im Plasmabrenner bei hohen Temperaturen aufgeschmolzen werden und dann auf das Werkstück prallen. Von den Beschichtungswerkstoffen her verfüge sein Unternehmen über die gesamte Palette von weichen Lagermetallen über korrosionsbeständige Industriemetalle wie Edelstahl, Aluminium Zink, Nickel und Chrom bis hin zu ultraharten Oxidkeramiken mit Härten bis zu 1500 HV.

Foto: Klaus Vollrath Diese Lagerschale für den Kreuzkopf eines Hochleistungs-Kompressionsaggregats wurde mit einer mehr als 1 mm dicken Schicht aus Lagermetall beschichtet und anschließend von Hand geschabt.

Beschichtung von Galetten

„Der Auftrag eines weltweit führenden Herstellers von Kunststofffasern zur Beschichtung dieser Galetten ist Ausdruck des Vertrauens der Kundschaft in unsere Kompetenz“, freut sich M. Bührer. Galetten sind große, hohle Zylinder, die bei der Herstellung von Kunststofffasern eingesetzt werden. Mit ihnen wird der noch weiche Polyesterfaden, der von oben aus Spinndüsen herunterkommt, in mehrere Stufen umgelenkt und dabei so temperiert, dass daraus schließlich hochfestes Garn entsteht. Insgesamt sieben dieser Galetten müssen hierbei so exakt synchron und zudem völlig schlagfrei laufen, dass der sich noch verfestigende Rohfaden nicht ruckartig überdehnt und dadurch geschädigt wird. Entscheidend ist hierbei auch eine Beschichtung, die einerseits mit dem klebrigen Fadenmaterial nicht verbacken darf und andererseits griffig genug ist, um den Faden sicher fördern zu können. Diese Beschichtung besteht aus zwei Lagen: Zunächst wird auf die sorgfältig gereinigte Oberfläche mithilfe des APS-Verfahrens eine 0,05 mm dicke metallische Haftgrundierung aus Ni-Cr aufgebracht. Auf diese Grundlage wird anschließend mit dem gleichen Verfahren noch eine 0,1 mm dicke Schicht aus einer Mischung von Aluminium- und Titanoxid gespritzt.

Foto: Klaus Vollrath Vor der Beschichtung wird die Galette gründlich gereinigt, abgeklebt und sandgestrahlt.

Die Wirklichkeit ist viel komplexer

„Das ist jedoch lediglich die Kurzfassung. In Wirklichkeit sind die Abläufe deutlich komplexer“, erläutert M. Bührer. So ist noch vor dem Aufbringen der Grundierung eine aufwendige Vorbereitung erforderlich. Diese umfasst die Arbeitsgänge Vorputzen, Reinigen, Vorwärmen, Abkleben und schließlich Strahlen. Das Aufbringen der Grundierungsschicht erfordert dann drei und die anschließende Beschichtung mit Keramik sogar zehn Durchgänge. Schon beim Grundieren wird sowohl nach der ersten als auch nach der dritten Schicht eine sorgfältige optische und manuelle Kontrolle auf Spritzfehler wie beispielsweise eingebackene größere Schmelztröpfchen durchgeführt. Das Aufbringen der Keramik in zehn einzelnen Schichten ist erforderlich, weil es beim Auftragen dickerer Lagen zu Rissen kommen könnte. Nach dem letzten Durchgang muss noch eine Kontrolle des Gesamtdurchmessers unter Berücksichtigung der Bauteiltemperatur erfolgen. Das ist deshalb erforderlich, da der Durchmesser der synchron angetriebenen Galetten in der Linie exakt übereinstimmen muss, um Ungleichmäßigkeiten der Fadenspannung im Betrieb zu vermeiden. Abschließend wird die Galette zur Endkontrolle auf einen speziell hierfür entwickelten und hergestellten Prüfstand verbracht. Dort wird sie zunächst mit einer automatischen Bürstvorrichtung von eventuell losen Körnchen gereinigt und dann äußerst gründlich manuell abgetastet. Selbst kleinste Unebenheiten werden dabei sorgfältig von Hand entfernt. Nach einem abschließenden Bürstdurchgang wird die Galette dann aufwendig verpackt und in einer stabilen Transportbox versandfertig gemacht.

Foto: Klaus Vollrath Die fertig beschichtete Galette wird zunächst automatisch abgebürstet und dann inspiziert.

Lösungen von der Stange? Fehlanzeige!

„Die Galetten sind nur eines von zahlreichen Beispielen für die Sorgfalt, mit der wir bei der Erfüllung von Kundenaufträgen vorgehen“, weiß Bührer. Dabei lege er besonders Wert auf Flexibilität beim Eingehen auf Kundenwünsche und übernehme einfache Jobs wie das Strahlen korrodierter Motorgehäuse ebenso wie den Neuaufbau von keramischen Verschleißschichten für Hydraulikmotoren einschließlich einer hochpräzisen Bearbeitung auf das gewünschte Endmaß. Bei Rundteilen sei die Bearbeitung solcher Schichten bis auf eine Restrauheit von nur noch Ra = 0,2 µm möglich. Bei komplexeren Geometrien könne er auf ein Netzwerk bewährter Partner zurückgreifen. Wichtig sei für ihn vor allem, dass der Kunde umfassend beraten werde und eine für seine spezielle Aufgabenstellung optimale Lösung erhalte. „Die Aufgabenstellungen im Bereich von Verschleiß und Korrosion von Maschinenteilen sind so vielfältig, dass es dafür nur selten Lösungen von der Stange gibt“, weiß Martin Bührer.

Foto: Bührer „Ich lege großen Wert darauf, dass meine Kunden umfassend beraten werden und die für ihre spezielle Aufgabenstellung optimale Lösung erhalten“ Martin Bührer.