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Oberflächentechnik

Eine runde Sache

Kantenbruch und Verrundung an Dünnblechen gewährleistet bei der Photon AG durchgängigen Korrosionsschutz.

Das Hochtechnologieunternehmen Photon AG trennt und verbindet Dünnbleche zu Leichtbau-Strukturen für die Mobilitätsbranche– mit teils gigantischen Abmessungen. Innovationen treiben Geschäftsführer Holger Alder schon seit seinem Physikstudium in den frühen 90er Jahren an. Entsprechend wundert es nicht, dass er bereits Ende der 90er Jahre gemeinsam mit Kollegen ein Unternehmen gründete, bei dem er auch heute noch als technischer Vorstand und Geschäftsführer die Ausrichtung prägt. Die Photon AG, Berlin, wächst gleichmäßig und ist mit rund 300 Mitarbeitern bekannt als Spezialist für die Fertigung von Blech-Bauteilen und -Baugruppen in nahezu jeder Größe und Komplexität. Mit dem Schwerpunkt Automobil gestartet, steht inzwischen die Schienenfahrzeugindustrie mit rund zwei Drittel Umsatzanteil an erster Stelle. Darüber hinaus legt der Schiffsbau stetig zu, und auch die Luftfahrt zeigt zunehmend Interesse an den Dienstleistungen von Photon.

Problemlösungen aus einer Hand

Entscheidend für die positive Entwicklung sieht Holger Alder mehrere Faktoren: „Wir verfügen über eine 30 Jahre lange Erfahrung im Laserschneiden und -schweißen in der Serienfertigung von Blechbaugruppen. Dabei kommt uns die Vielschichtigkeit unserer Projekte zugute. Die unterschiedlichen Industriezweige haben meist verbindende Interessen und Ziele, wie etwa den strukturellen Karosserie-Leichtbau. Die einzelnen Erfahrungen bringen wir branchenübergreifend ein und helfen damit all unseren Kunden.“ Die Photon AG ist daher nicht „nur“ ein hochproduktiver Blechfertiger, sondern vielmehr ein Systempartner für Blechthemen, der Problemlösungen aus einer Hand bietet, die die gesamte Wertschöpfungskette abbilden.

30 m Dünnblech laserstrahlschweißen

Neben Anlagen zum 2D- und 3D-Laserschneiden von Trumpf sowie eigenentwickelten 3D-Laserschweißanlagen setzen die Blechexperten auch auf vermeintlich unscheinbare, aber wichtige Handwerkzeuge. Mit den Tru Tool Kantenfräsern TKA entfernen sie zum Korrosionsschutz scharfe Kanten von Blechen – mit gleichmäßig hoher Oberflächenqualität. Dabei bietet das Berliner Unternehmen noch einen Vorteil, den Geschäftsführer Alder hervorhebt: „Wir sind in der Lage, enorm große Dünnblech-Baugruppen von bis zu 30 Meter Länge mit Laserstrahlschweißen zu verbinden. Die Bearbeitung in solchen Dimensionen erfordert spezielles Know-how und eine Technologie, die meines Wissens außer uns weltweit kein anderes Unternehmen vorweisen kann.“

Foto: Trumpf Geschäftsführer Alder hebt hervor: „Wir sind in der Lage, enorm große Dünnblech-Baugruppen von bis zu 30 Meter Länge mit Laserstrahlschweißen zu verbinden.“

Über Laserschneidanlagen bis zum Werkzeug

Um bei den Global Playern der Schienen-, Schiffs- und Automobilindustrie als Systemlieferant anerkannt zu werden, benötigt Photon neben eigenem Know-how auch Partnerunternehmen. Als eines der Wichtigsten nennt Holger Alder die Trumpf Gruppe, von der unter anderem seit vielen Jahren diverse 2D- und 3D-Laserschneidanlagen im Einsatz sind. Darüber hinaus verwendet der Berliner Blechspezialist in seinen unterschiedlich groß dimensionierten Laserschweißanlagen verschiedene Festkörper-Scheibenlaser des Ditzinger Konzerns. Neben der Hochtechnologie, für die Trumpf weltweit bekannt ist, entwickelt und produziert das Unternehmen seit der Gründung Elektrowerkzeuge zur Blechbearbeitung. Auch diese nutzt Photon in seiner Produktion. Speziell die Kantenfräser der TKA-Baureihe kommen täglich zum Einsatz und leisten wichtige Dienste – primär zum Kantenbrechen an langen Blechen und in Einzelfällen zur Schweißnahtvorbereitung.

Foto: Trumpf Photon hat 3D-Laserschweißanlagen entwickelt, mit denen sich bis zu 250 30 Meter lange Dünnbleche verschweißen lassen – nahezu verzugsfrei. Als Laserquelle kommen diverse Festkörper-Scheibenlaser von Trumpf zum Einsatz. Unter anderem der Tru Disk 8001.

Kluge Konstruktion spart 36.000 t CO2

Auf Stahlleichtbau spezialisiert werden in Berlin zahlreiche Blechbaugruppen für Schienenfahrzeuge hergestellt. Unter anderem baut Photon Außenhäute, Dachbaugruppen und Teile der Untergestelle für den ICE 4. „Bei den meisten Projekten bringen wir unsere Expertise schon in die Entwicklung ein“, erläutert Alder: „So haben wir es beispielsweise bei einer Straßenbahn geschafft, den Rohbau um 20 Prozent leichter zu gestalten. Da die Kommune rund 300 dieser Züge betreiben wird, spart diese Lösung über die nächsten 25 Betriebsjahre etwa 36.000 Tonnen CO2 ein.“ Entscheidend für solche Erfolge sind unter anderem sogenannte Tailored Blanks Konstruktionen. Damit erhalten alle Abschnitte der Außenhaut stets nur die tatsächlich notwendige Dicke. Heißt: Die großen Flächen sind nicht dicker als 2 mm, während tragende Bereiche – wie etwa Fensterausschnitte – 3 oder 4 mm Blechstärke erhalten. Dank hochpräziser Laserschweißtechnologie lassen sich die einzelnen Bleche nahezu verzugsfrei miteinander verbinden.

Foto: Trumpf Für den ICE 4 stellt Photon die Seitenwände im Stahlleichtbau aus sogenannten Tailored Blanks her. Damit der Lack zuverlässig hält, müssen alle scharfen Kanten gebrochen werden.

Ausrutscher, Funken und Feinstaub

Die beim Bearbeiten der Bleche entstehenden scharfen Kanten müssen zum großen Teil gebrochen oder verrundet werden. Nur so lässt sich an diesen Stellen ein Abblättern des später aufzubringenden Lacks zuverlässig vermeiden. Bei Kleinteilen nutzt Photon dafür die vorhandenen Fräsmaschinen im Prototypenbau. „Das machen wir nur, weil wir die Maschinen haben und wenn diese frei sind. Ansonsten wäre das höchst unwirtschaftlich“, erläutert Holger Alder. Für größere Bleche und Blechbaugruppen sind die Fräszentren grundsätzlich nicht geeignet – da kommen stets Handwerkzeuge zum Einsatz. Seit gut zehn Jahren fast ausschließlich Kantenfräser der TKA-Baureihe von Trumpf. Facharbeiter Norbert Heyn erinnert sich noch an die Zeit vor dem Einsatz der Tru Tool TKA: „Wir arbeiteten damals noch mit Winkelschleifern. Das war zum einen ziemlich unangenehm, weil hierbei viele Funken fliegen und Schleifstaub durch die Luft wirbelt. Zum anderen war die Kantenqualität stark von der Tagesform abhängig und niemals ganz gleichmäßig.“ Im ungünstigsten Fall passierten „Ausrutscher“, die tief in das Blech gingen und damit aufwändige Korrekturarbeiten erforderten.

Foto: Trumpf Kleine Rundung, große Wirkung: Der Kantenbruch mit einem R2-Radius sorgt dafür, dass der später aufgebrachte Lack sicher hält. Potenzielle Roststellen werden so vermieden.

Mit einer Arbeitsgeschwindigkeit von 3 bis 4 m/min

Die in den technischen Daten ausgewiesene Arbeitsgeschwindigkeit von 3 bis 4 m/min sei dabei absolut realistisch. So sind Facharbeiter Norbert Heyn und sein Meister davon überzeugt, dass sie bei ihren häufig zu bearbeitenden Fensterausschnitten, deren scharfe Kanten mit R2-Radien gebrochen werden, durchschnittlich zehn Mal schneller sind als mit einem Winkelschleifer. „Und das garantiert ohne Ausrutscher“, freut sich Heyn. Ähnlich positiv bewertet sein Kollege Bashir Ahmad Rajabi die Situation: „Ich muss häufig an kleinen Bohrungen mit fünfzig bis hundert Millimeter Durchmesser Schweißkanten anbringen, in die sogenannte Gewindeeinsätze eingeschweißt werden. Da sind die Kantenfräser ideal. In weniger als einer Minute habe ich eine perfekte oxidfreie Fase. Hierfür gibt es eigentlich keine echte Alternative, die in punkto Qualität und Wirtschaftlichkeit nur halbwegs mithalten kann.“ Zufrieden zeigen sich Bashir Ahmad Rajabi und Norbert Heyn auch mit den Standzeiten der Wendeschneidplatten, die in den Kantenfräsern eingesetzt sind. „Ich kann problemlos rund 100 Meter R2-Radien mit einer Schneidseite fräsen“, präzisiert Heyn: „Mit den drei Schneiden pro Wendeschneidplatte komm ich also auf etwa 300 Meter, bevor ich neue einsetzen muss.“

Foto: Trumpf Eine saubere Nahtvorbereitung ist stets die Basis einer guten Schweißverbindung.