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Foto: Eckardt

Oberflächentechnik

Strahlcenter setzt auf Sprühbeölung

Das Strahlen nach der Warmumformung ist effizient, aktiviert aber auch die Oberfläche der Bauteile und erfordert eine Korrosionsschutzbehandlung.

Dachrahmen, A- und B-Säulen, Bodenprofile und andere zentrale Karosseriebauteile fürs Automobil erhalten im Strahlcenter Venetis in Schwäbisch Gmünd eine ganz spezielle Behandlung. Mit dem so genannten Schleuderradstrahlen wird die Zunderschicht entfernt, die nach dem Warmumformungsprozess auf den Teilen zurückbleibt. Dabei wird in der Reinigungsstrahlanlage als Strahlmittel ein gehärtetes Stahlrundkorn über die Schaufeln des Schleuderrades auf die Oberfläche des Werkstücks geschleudert. Auf diese Weise lassen sich Bauteile mit größerer Fläche und weniger komplexer Form schnell und gründlich entzundern. Ohne Entfernen der Zunderschicht würde die weitere Verarbeitung (Schweißen, Lackauftrag usw.) erheblich erschwert. Im Strahlcenter Venetis durchlaufen Millionen Teile pro Jahr diese Prozedur.

Fit für Lager und Transport

Genauso wichtig ist der Schritt, der sich direkt anschließt. Die zunderfreien Oberflächen der Bauteile liegen komplett frei und müssen umgehend gegen Korrosion geschützt werden. „Das muss schon deshalb sofort erfolgen, weil unsere Kunden von uns verlangen, dass wir die Teile mit ein paar Tagen Vorlauf produzieren,“ erklärt Betriebsleiter Jürgen May. „Zudem sind strahlbehandelte Teile in speziellem Maße anfällig für Korrosion, etwa wenn Schwitzwasser entsteht und sie beim Überseetransport mit salzhaltiger Luft in Kontakt kommen.“

Damit die Korrosion gar nicht erst zum lästigen Thema wird, kommt ein spezielles Ölgemisch zum Einsatz, mit dem die Bauteile nach erfolgter Strahlbehandlung überzogen werden. Dieser Prozess ist eine äußerst fein austarierte Angelegenheit. „Das A und O beim Korrosionsschutz unserer Produkte ist der gleichmäßige Ölauftrag“, fasst Jürgen May zusammen. „Schon kleinste Abweichungen können dazu führen, dass die Komponenten in den nachfolgenden Verarbeitungsprozessen nicht zuverlässig angeschweißt oder verklebt werden können. Entsprechend genau sind die Vorgaben unserer Kunden, wie dick die Schicht Korrosionsöl auf den Formteilen sein darf. Unsere Herausforderung besteht dann darin, diese Parameter in unseren Auftragsprozessen so umzusetzen, dass für alle Teiletypen und jedes einzelne Exemplar davon die geforderte Qualität gewährleistet wird.“

Sprühen alternativlos

Vor diesem Hintergrund ist nur der Ölauftrag per Sprühverfahren sinnvoll. „Denkbar wäre zwar grundsätzlich auch, die Teile durch ein Tauchbad zu ziehen, aber dabei wären Ölrückstände unvermeidlich, und wir könnten die geforderte sehr feine Schichtdicke niemals zuverlässig erreichen und reproduzieren“, begründet der Betriebsleiter die Nichteignung dieser Variante.

Als Partner in Sachen Beölung holte sich das Unternehmen die Brettener Firma Eckardt Systems ins Boot. Eckardt ist auf die Konstruktion hochpräziser, leistungsfähiger Beölungssysteme spezialisiert, denen unterschiedliche Verfahren wie die Walzen-, Aufquetsch- oder Sprühbeölung zugrunde liegen. Die Anlagen sind weltweit im Einsatz, wobei die Automobilindustrie den wichtigsten Branchenschwerpunkt bildet und Eckardt somit genau die Expertise mitbringt, die auch beim Strahlcenter Venetis mit Blick auf die Anforderungen und Produktionsprozesse der Endkunden gefragt sind. Die Grundlagentechnologie aus dem Sprühbeölen nutzt Eckardt auch für den Korrosionsschutz, wobei das in zweiter Generation familiengeführte Unternehmen integrierte Anlagen aus Sprühkammer und Transportsystem (Endlosband oder Warenträger) nach Kundenvorgaben komplett selbst konstruiert und produziert.

„Unsere Vorgaben an Eckardt standen sozusagen auf zwei Säulen: Neben dem gleichmäßigen Ölauftrag war für uns auch das Thema ‚saubere Luft’ sehr wichtig. Die Anlage sollte möglichst gut verhindern, dass sich der anfallende Ölnebel in der Werkhalle ausbreiten kann“, skizziert Jürgen May die Ausgangslage.

Bewegung im Düsenraum

Das Herzstück der Sprühanlage von Eckardt bilden die eingesetzten Sprühdüsen. „Die Effizienz beim Auftrag hängt von verschiedenen Faktoren ab, vor allem kommt es auf Anzahl und Schwenkfähigkeit der Düsen an“, erklärt Daniel Assmann, Vertriebsleiter bei Eckardt Systems. „Unsere Sprühkammer ist deutlich größer als bei vergleichbaren Anlagen, daher können wir mehr Düsen über die gesamte Breite verteilen und damit auch bei unterschiedlich großen Teilen alle Oberflächenbereiche gut erfassen.

Die Sprühdüsen lassen sich in alle Richtungen bewegen und bei Schwenkwinkel und Ölmenge stufenlos anpassen. Auf diese Weise kann man die Beölung optimal auf unterschiedliche Oberflächengeometrien ausrichten und Beölungsmuster bis ins Detail individuell einstellen. Die Muster sind jederzeit reproduzierbar und können auf Knopfdruck in der Anlagensteuerung abgerufen werden.“ Und Jürgen May ergänzt: „Generell ist es unvermeidlich, dass wir viel ausprobieren und testen müssen, bis wir den optimalen Sprühvorgang für die einzelnen Produktanforderungen definiert haben. Dabei hilft uns die bewegliche Sprühdüsenkonstruktion enorm. Bei einer Anlage mit starren Düsen wäre der Aufwand noch um ein Vielfaches höher, und wir hätten das jeweils benötigte Sprühbild nicht so schnell und komfortabel zur Hand.“

Filterstufen für saubere Luft

Die zweite Vorgabe in Sachen Luftqualität erfüllt die Korrosionsschutzanlage von Eckardt über ein ausgeklügeltes Filtersystem. „Hier schalten wir mehrere Filterstufen hintereinander, wodurch sich die Abscheideeffizienz insgesamt erhöht und insbesondere die Endfilterstufe geschont und langlebiger wird“, sagt Daniel Assmann. Auf diese Weise werden verbliebene feste Partikel im Ölnebel zuverlässig entfernt, was das Absaugen einfacher und effizienter macht. Alles in allem herrscht in der Produktionshalle eine durch offizielle Messungen bestätigte Luftqualität, die man bei einem auf das Strahlreinigen spezialisierten Unternehmen nicht unbedingt erwarten kann, fügt „Hausherr“ Jürgen May hinzu.

Wachsweich dank Heizung

Zur erwähnten Langlebigkeit der Filtersysteme trägt eine weitere Eigenschaft entscheidend bei: Sie sind beheizbar. „Das Korrosionsschutzöl beinhaltet einen Wachsanteil, der beim Filterdurchlauf abkühlt und verhärtet – mit dem Resultat, dass der Filter mehr oder weniger schnell verstopft“, so May. „Bei unserer Anlage besteht die Gefahr nicht, da jeder eingesetzte Filter beheizt werden kann, das Wachs flüssig hält und das Öl gut ablaufen lässt. Somit müssen wir nicht nur viel seltener die Filter wechseln, sondern können auch viel mehr Öl abfangen, recyclen und wiederverwerten, was sich in puncto Wirtschaftlichkeit enorm bemerkbar macht.“

Erweiterung geplant

Derzeit sind drei Korrosionsschutzanlagen beim Strahlcenter Venetis im Einsatz. Im Zuge der anvisierten Kapazitätserweiterung steht für das Team um Betriebsleiter Jürgen May schon jetzt fest, dass auch die neuen Strahlanlagen mit Korrosionsschutztechnik von Eckardt gekoppelt werden.

Stefan Müller-Ivok

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