Im Energiesektor sind Rohre nicht nur für den Transport von Öl oder Gas unverzichtbar, auch als Konstruktionselemente spielen sie eine bedeutende Rolle. So bestehen die meisten Gründungsstrukturen, also die Fundamente von Offshore-Windkraftanlagen aus Rohrelementen.
Spezielle Rohre für die Tiefsee
Unter anderem mit diesem Anwendungsbereich beschäftigt sich bei der Salzgitter AG die für Forschung und Entwicklung des Geschäftsbereiches Mannesmann zuständige Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH (SZMF). Gefragt sind nach Unternehmensangaben nicht nur Produkte, sondern verstärkt komplette technologische Lösungen. So wurden im Rohrbereich Super-Duplex-Rohre für Tiefsee-Anwendungen optimiert, um auch in größeren Wassertiefen eine sichere Medienversorgung sicherzustellen.
Andere Wachstumsbereiche, die in den kommenden Jahren mit Forschungs- und Entwicklungsvorhaben unterstützt werden, konzentrieren sich auf die kundenorientierte Optimierung der Rohreigenschaften. Beispiele dafür sind neue Entwicklungen für den Automobilbau. Von vielen bereits abgeschrieben, wird der Verbrennungsmotor nicht nur nach Einschätzung der Automobilhersteller noch viele Jahre eine wichtige Antriebsquelle darstellen. Dazu müssen aber Verbrauch und Schadstoffemissionen weiter gesenkt werden. Hier können Präzisrohre für höhere Einspritzdrücke helfen, die eine umweltschonendere Verbrennung gewährleisten. Im nichtmotorischen Bereich können Rohre mit variablen Rohrwanddicken für belastungsgerecht optimierte Anwendungen den Leichtbau unterstützen.
Innovationen für automobile Rohrlösungen
Das Thema automobiler Leichtbau steht auch bei der Benteler AG im Fokus der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Dazu veranstaltete das Unternehmen im vergangenen Jahr den ersten Steel/Tube Leichtbautag. Als neueste Innovation für automobile Rohrlösungen wurde unter anderem der Prototyp eines Vorderachsträgers für Elektrofahrzeuge vorgestellt. Dank eines neuen innovativen Stahlkonzeptes will man damit das Gewicht um 35 % verringert haben. Für die Automobilhersteller aufgrund des hohen Leichtbaupotenzials ebenfalls von Interesse: Der Einsatz geschweißter Rohre aus einem neuen Stahl mit sehr hoher Festigkeit und gleichzeitig überdurchschnittlich großem Umformvermögen.
Ebenfalls für die Automobilindustrie bestimmt sind ultrahochfeste Rohre, die als innovative automobile Federungssysteme Anwendung finden sollen. Mit diesen Fahrwerkslösungen sollen sich im Vergleich zur aktuellen Serienlösung bis zu 30% Gewicht einsparen lassen. Ende 2016 konnten laut Benteler die ersten Systeme beim Kunden hergestellt und validiert werden.
Erste Erfolge hat man dem Vernehmen nach auch im Bereich warmgewalzter Achsrohre erzielt. Darüber hinaus hat das Unternehmen im Bereich der Achsen sowie Spurstangen und Achslenker für Nutzfahrzeuge erfolgreich mehrere innovative Stahl- und Rohrlösungen bei Kunden platziert und Prototypen geliefert.
Neue Lösungen für Industrie und Energie
Auch außerhalb des Automobilsektors sind bei Benteler Innovationen zu finden. Im Bereich der industriellen Anwendungen von nahtlosen Präzisionsrohren zählen dazu Vorrohre zum Herstellen von Injektionsankern (Ground Engineering). So hat man für ein industrielles Großprojekt in den Niederlanden zur Untertunnelung einer Autobahn erfolgreich einen modifizierten Stahlwerkstoff mit, wie es heißt, „herausragender Kombination aus Festigkeit und Zähigkeit“ in Verbindung mit einer speziellen Walz- und Wärmebehandlungstechnologie entwickelt und umgesetzt.
Andere aktuelle Projekte des Unternehmens sind geschweißte und nahtlose Leitungsrohre mit einer speziellen Oberflächentechnologie (Zista Seal), die für einen „exzellenten Korrosionsschutz in Kombination mit herausragender Verarbeitungsfähigkeit“ sorgen soll.
Leichte Rohrkonstruktion für Elektromobilfahrwerke
Auf die zunehmende Bedeutung des Elektromotors müssen sich auch die Hersteller von Rohrkomponenten einstellen. Der Leichtbau dürfte mit zunehmender Verbreitung von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen jedoch eher noch an Bedeutung gewinnen.
Deshalb spielt die Gewichtsreduzierung von Fahrzeugteilen, die zu einer erhöhten Effizienz und Schonung der Ressourcen führt, eine entscheidende Rolle. Moderne „exotische“ Werkstoffe wie zum Beispiel Karbon stoßen bei der Massenproduktion aber immer noch an fertigungstechnische und wirtschaftliche Grenzen, auch wenn die Fortschritte bei der industriellen Verarbeitung solcher Werkstoffe unübersehbar sind. Als Alternative bieten sich hier Leichtbaulösungen mit dem altbewährten Werkstoff Stahl an.
Passend zum Thema hat Thyssenkrupp Precision Steel in Hohenlimburg vor einiger Zeit ein neues Bauteil für das Fahrwerk von Elektrofahrzeugen präsentiert. Der Mittelbandspezialist im Konzern hat als Kooperationspartner dafür eine superleichte Rohrkonstruktion aus hochfestem Stahl (HBS 800) entwickelt. Die optimierte Fahrwerkskomponente soll aufgrund des verringerten Materialeinsatzes eine Gewichtseinsparung von über 34 % erlauben. Das um ein Drittel leichtere Bauteil bietet darüber hinaus laut Unternehmen Vorteile wie verkürzte Produktionszeiten und einen erheblich verringerten Verschnitt.
Als weiterer Bestandteil des neuen Fahrzeugkonzepts sind zudem Rohrstabilisatoren aus Mangan-Bor-Stahl zu nennen. Diese innovative Lösung soll eine Gewichtsersparnis von 45 % bringen. Das Konzept erlaubt außerdem variable Wanddicken, die eine weitere Gewichtsreduzierung ermöglichen. Gefertigt werden diese neuen Stahl-Leichtbaulösungen von einem Weiterverarbeiter für die Automobilindustrie.
Innenhochdruckumformen von Aluminium-Stahl-Hybridrohren
Das Verbinden von Bauteilen aus Stahl mit solchen aus Aluminium mit Problemen behaftet. An der Lösung hat das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) gGmbH gemeinsam mit dem Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) gearbeitet. Das Ergebnis sind Hybridrohre aus Aluminium und Stahl (Tailored Hybrid Tubes), die sich sogar mittels Innenhochdruckverfahren umformen lassen. Dazu werden zunächst Rohrelemente aus Stahl und Aluminium mit Hilfe des Laserlötens gefügt. Anschließend ist das Innenhochdruckumformen möglich, ohne dass die Verbindung bricht. Die Entwickler sind davon überzeugt, dass sich mit dieser Technologie zukünftig besonders leichte Bauteile für Fahrzeugkarosserien herstellen lassen.
Die Innenhochdruckumformung von Hybridrohren verbindet zwei Leichtbau-Ansätze: Einerseits die Gewichtseinsparung durch die Geometrie der Bauteile, denn Rohre eignen sich generell gut für den Leichtbau, weil sie im Verhältnis zu ihrem Gewicht sehr steif und stabil sind. Andererseits lässt sich mit der Kombination von Stahl und Aluminium weiteres Gewicht einsparen. Aus dem schwereren festen Stahl werden nur die Abschnitte gefertigt, die hohen Belastungen ausgesetzt sind. Die weniger belasteten Segmente des Bauteils können dagegen aus dem leichten Aluminium bestehen. Als Beispiel werden besonders leichte Karosseriebauteile wie die Anbindungsstellen zur B-Säule genannt.
Die Herausforderung beim Herstellen solcher Hybridbauteile besteht darin, dass sich Stahl wesentlich schwerer umformen lässt als Aluminium. Auch müssen die Rohrabschnitte so miteinander verbunden werden, dass beim Umformen keine Risse in der Fügezone entstehen. Weil sich beim Schweißen eine spröde, nicht umformbare Naht bildet, werden die Stahl- und Aluminiumrohre mittels Laserlöten verbunden.