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Foto: Roemheld

Betriebsmittel

Magnetspannsysteme in der Blechumformung?

Massentaugliche Magnetspannsysteme für Pressen und Stanzen: Römheld Rivi sieht auch im Bereich der Blechumformung deutliche Vorteile dieser Technologie.

Der Einsatz von Magnetspannsystemen zum Positionieren und Spannen von Werkzeugen wird in der Blechumformung und Stanztechnik immer populärer. Spanntechnik-Anbieter Römheld Rivi wirbt mit kurzen Rüstzeiten, einer höheren Fertigungsqualität, geringerem Werkzeugverschleiß und einer nahezu universellen Einsetzbarkeit. Mit wissenschaftlichen Studien und Langzeittests aus der Praxis untermauert er die Versprechen. Die ursprüngliche Skepsis in der Branche scheint zu weichen.

Bei Hettich sind schon drei Magnetspannsysteme im Einsatz

Matthias Althaus ist zufrieden. Der Produktmanager für Magnetspannsysteme bei Römheld Rivi hat gerade ein Telefonat mit einem zufriedenen Kunden beendet. Das Lob stammt von Dirk Schlinger, Werkzeugkonstrukteur bei der Hettich Unternehmensgruppe, einem der weltweit größten Hersteller von Möbelbeschlägen mit Sitz im ostwestfälischen Kirchlengern. Die Gruppe hat etwa 6.700 Mitarbeiter in 80 Ländern und hat 2019 10 % ihres Jahresumsatzes von rund 1,1 Mrd. EUR in neue Produkte und Technologien investiert. Darunter befindet sich das mittlerweile dritte Magnetspannsystem.

Mehr Freiheit bei der Werkzeugauslegung

Der Grund für die Anschaffung war die geplante Fertigung variantenreicher Stanzteile für ein neues Schubkastensysteme. Dabei ist häufiges Umrüsten notwendig, zudem verlangte die Konstruktion bei der Gestaltung des Werkzeugsatzes größtmögliche Freiheit. „Da es sich um ein variables Modulwerkzeug handelt, brauchen wir immer wieder unterschiedliche Spannpositionen. Für Schrauben oder Pratzen wäre nicht genug Platz gewesen. Der Einsatz der Magnetspannplatten bietet mir als Konstrukteur bessere Gestaltungsmöglichkeiten bei der Werkzeugauslegung. Denn durch das vollflächige Spannen sind keine Spannränder, Spannersitze, Schlossplatten notwendig, wir spannen auf kleinsten Raum“, freut sich der Werkzeugkonstrukteur.

Magnetspannplatten nachgerüstet

Bei der Produktionsplanung für den neuen Schubkastenartikel entschieden sich die Verantwortlichen 2019 für den Einsatz eines modernisierten Stanzautomaten, bei dem im Zuge der Überholung Magnetspannplatten von Römheld Rivi nachgerüstet wurden. Mit der Schnellspanntechnik hat Hettich bereits seit einem halben Jahrzehnt gute Erfahrungen gemacht. Mittlerweile nutzt das Unternehmen in seiner Stanzerei Magnetspannplatten für Stanzautomaten mit Presskräften zwischen 2.500 und 5.000 kN und Tischlängen zwischen 2.000 und 2.500 mm.

Schnelle Werkzeugwechsel mit kurzen Spannzeiten

Bei häufigen Werkzeugwechseln zählen kurze Spannzeiten zu den großen Vorteilen von Magnetspannplatten. In der Stanzerei von Hettich werden Werkzeuge mehrfach pro Schicht gewechselt. Die Zeitersparnis gegenüber dem früheren manuellen Spannen mit Schrauben schätzt Werkzeugkonstrukteur Schlinger auf jeweils 15 bis 20 min.

Optimales Zusammenspiel von Werkzeug und Stanzöl

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Einfach zu bedienen, ergonomisch und universell einsetzbar

Fast noch wichtiger ist bei Hettich die einfache und ergonomische Handhabung der Magnetspanntechnik, die die Bedienung spürbar erleichtert, so Dirk Schlinger. „Unsere Einrichter freuen sich, denn sie müssen beim Werkzeugwechsel keinen Schlüssel mehr in die Hand nehmen. Außerdem vermeiden sie weite Wege, da sie nicht mehr zur Rückseite der Stanze gehen müssen. Stattdessen können sie alles mit ein paar Knopfdrücken vom Bedienpult aus erledigen.“ Das erhöht die Produktivität deutlich. „Außerdem“, ergänzt er, „haben wir die Magnetspannplatten über all die Jahre störungsfrei und nahezu ohne Wartung betrieben. Kein Vergleich zum früheren Einsatz von Hydraulikspannern, wo es häufig zu Leckagen kam.“

Auch für nicht genormte Formen und Werkzeuge geeignet

Ein weiterer Pluspunkt: Eine Standardisierung der Werkzeuge in Hinblick auf Größe, Spannrandhöhen und -breiten, wie sie bei hydraulischen und elektromechanischen Systemen oftmals notwendig sind, entfällt bei der magnetischen Spanntechnik vollständig. So können auch nicht genormte Formen und Werkzeuge problemlos und schnell eingesetzt werden. Denn die ferritischen Spannplatten spannen alle magnetischen Materialien vollflächig und mit hoher Biegesteifigkeit. Durch die gleichmäßige Kraftverteilung verringern sich die Schwingungen und der Werkzeugverschleiß, da die Formhälften absolut parallel zusammengeführt werden. Das bestätigen laut Matthias Althaus, dem beim Anbieter Römheld Rivi zuständigen Produktmanager, neben Langzeittests aus der Praxis auch verschiedene Universitätsstudien.

Ausfallsicherer Elektro-Permanentmagnet

Die bei Hettich verwendeten M-TECS-Magnetspannplatten von Römheld Rivi beruhen auf dem Prinzip eines Elektro-Permanentmagneten. Hierbei wird ein Stromfluss lediglich zum Spannen und Lösen für jeweils ein bis zwei Sekunden benötigt. Im Betrieb ist das System komplett stromlos und somit auch bei Energieausfällen sicher.

Höchste Sicherheitsstandards für störungsfreien Betrieb

Das Magnetfeld besitzt eine effektive Magnetkraft von 5 bis 12 kg/cm2; die erzielte Spannkraft steigt mit der Größe der Auflagefläche. Somit können bei Bedarf auch große Kräfte von mehreren tausend Kilonewton erreicht werden. Ein induktiver Endschalter prüft vorab die schlüssige Anlage des Werkzeugs und erteilt daraufhin die Freigabe zum Magnetisieren. „Störelemente auf dem Maschinentisch wie beispielsweise Stanzbutzen werden zuverlässig erkannt“, bestätigt Schlinger. Als zusätzliche Kontrolle wird der komplette Spannzyklus durch Sensoren überwacht. Die M-TECS Magnetspannplatten erfüllen zudem die höchsten Sicherheitsanforderungen für die relevanten Signale der Pressnormen EN201/EN289.

Anwender aus der Blechumformung fassen zunehmend Vertrauen

Früher wurde Römheld Rivi-Produktmanager Althaus häufig mit Bedenken hinsichtlich der Sicherheit konfrontiert. Da mittlerweile immer mehr Anwender aus der Blechumformung die Magnetspanntechnik kennengelernt haben, wächst das Vertrauen in die Technologie: „Seit mehr als zehn Jahren funktionieren Magnetspannsysteme auf Pressen und Stanzen zuverlässig und sicher. Die Erfahrungen auf Anlagen von Herstellern wie Andritz Kaiser, Schuler, Bruderer, Haulick & Roos beweisen dies.“

Auch Sorgen bezüglich der Eindringtiefe der Magnetfelder und ihrer Auswirkungen auf das Werkzeug kann er entkräften. Diese betrage lediglich 20 mm und habe keinen Einfluss auf die Fertigungsqualität – eine Aussage, der auch Dirk Schlinger zustimmt.

Warum sich Hettich für Römheld Rivi entschieden hat

Für die Magnetspanntechnik von Römheld Rivi entschied sich Hettich aus verschiedenen Gründen. So zählt das Unternehmen in der Stanztechnik zu den Anbietern mit den meisten Systemen im Markt. „Außerdem“, so der Werkzeugkonstrukteur, „stimmen Produktqualität und Kundendienst. Und die Preise sind ebenfalls wettbewerbsfähig.“

Besonders hebt er den zuvorkommenden Umgang mit Sonderwünschen hervor: „Wir mussten bei allen drei Magnetspannsystemen jeweils ein Magnetsegment in die vorhandenen Pressenplatten integrieren. Hier waren die Mitarbeiter von Römheld Rivi ausgesprochen kooperativ. Sie sind zu unserem Fräspartner gefahren, haben dort die Segmente verbaut und die Arbeiten bis zum Schluss begleitet.“

Joint Venture auf der Pole Position

Römheld Rivi mit Sitz in Hilchenbach bei Siegen ist ein Joint Venture der Roemheld Gruppe und des italienischen Spanntechnikherstellers und langjährigen Partners Rivi Magnetics S.r.l. Es bietet ein umfangreiches Programm an Magnetspanntechnik für die Automation an Pressen und Stanzen in der Umformtechnik sowie an Spritzgießmaschinen und Gummipressen in der Kunststoffverarbeitung. In dem Segment gehört es nach eigenen Aussagen zu den Weltmarktführern. Auch in der Umformtechnik besetzt das Unternehmen laut Althaus unangefochten die Spitzenposition: „Beim Einsatz von Magnetspannplatten in der Blechumformung sind wir momentan meiner Kenntnis zufolge konkurrenzlos.“

Frei konfigurierbar und jederzeit schnell nachgerüstet

Alle Systeme werden von Römheld Rivi kundenspezifisch aus standardisierten Komponenten gefertigt und sind nahezu wartungsfrei. Hinsichtlich ihrer Größe, Geometrie, Spannkraft und Ausstattung sind sie frei konfigurierbar. Auf vorhandenen Pressen und Stanzen können sie in der Regel innerhalb weniger Stunden nachgerüstet werden. Seine Kunden in Europa, den USA und Asien betreut es über ein eigenes Servicenetz.

Mit Magnetspanntechnik die Rüstkosten senken

Römheld Rivi-Produktmanager Matthias Althaus sieht für die Magnetspanntechnik in der Blechumformung eine große Zukunft: „Die Variantenvielfalt nimmt stetig zu, Losgrößen sinken – häufige Werkzeugwechsel führen zu teuren Rüstzeiten, die mehr und mehr zu einem relevanten Kostenfaktor werden. Gleichzeitig erkennen viele Entscheider in der Umformtechnik die Chancen, diese Kosten mithilfe der Magnetspanntechnik zu senken.“

So war es auch bei Hettich: „Wir haben uns für die innovative Lösung entschieden, obwohl die Investitionen höher sind als bei konventioneller Spanntechnik. Dessen waren wir uns bewusst. Wir sind aber sicher, dass sich diese durch die vielen Vorteile ziemlich schnell amortisieren werden.“

Gesamtlösung für die Andritz-Kaiser-Presse

Unternehmen, die Werkzeuge sehr häufig wechseln, kann Matthias Althaus von Römheld Rivi zudem eine Gesamtlösung für das Werkzeugrüsten anbieten. Auf der Blechexpo im Herbst 2019 hat sein Unternehmen zusammen mit den Spanntechnikspezialisten der Roemheld Gruppe ein Komplettsystem für den schnellen Werkzeugwechseln am Beispiel einer Presse von Andritz Kaiser vorgestellt. Hierbei wird das Werkzeug zusammen mit der unteren Magnetspannpatte über fest montierte Rollenleisten und schwenkbare Tragkonsolen leicht aus der Presse herausgezogen und dann be- und entladen. Keilspanner verriegeln den Tisch außerhalb der Presse, Zugspannelemente dienen dem sicheren Fixieren in der Maschine. Mittels Transportwagen wird das Werkzeug zur Presse hin und von dort wieder weggefahren. Althaus verspricht: „Die Magnetspannplatten im Verbund mit Werkzeugwechseltechnik ermöglichen Austausch, Positionieren und Spannen der Werkzeuge – unabhängig von ihrer Größe und Geometrie – in weniger als fünf Minuten.“

Stephan Auch

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