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Foto: AGCO/Fendt

Flexible Fertigungssysteme

Jetzt ist alles im Fluss

Ein langer Atem führte zum Erfolg: In der Fertigung von AGCO/Fendt hat die Umsetzung der Lean-Prinzipien zu deutlichen Produktivitätssteigerungen geführt.

Für sein Lean Manufacturing ist das AGCO-Fendt Werk in Asbach-Bäumenheim mittlerweile bekannt. Was dort praktiziert wird, könnte man als kontinuierliche Einzelteilfertigung bezeichnen. Denn Fendt betreibt eine Build-to-Order-Fertigung: Die Kunden konfigurieren ihren Schlepper vor der Bestellung ähnlich wie Autombilkäufer nur mit wesentlich größerer Ausstattungsvielfalt. Kein Schlepper gleicht komplett einem anderen.

Entsprechend flexibel ist die Fertigung: Vom kleinsten bis zum größten Schlepper werden alle Modelle in einem beliebigen Modellmix auf derselben Linie montiert. Am Standort Asbach-Bäumenheim werden im Wesentlichen die Kabinen der Fendt -Traktoren sowie die dafür notwenigen Strukturteile hergestellt. Verarbeitet werden dazu Rohre, Profile und Bleche wobei Flachbett- oder 5-Achs-Laser, verschiedene Umformverfahren, Fügetechnologien und -prozesse, Schweißroboter und weitere automatisierte Systeme eingesetzt werden.

Langjähriger Prozess

Der Weg zur heutigen schlanken Fertigung war ein tiefgehender Prozess über mehrere Jahre. Eingeleitet wurde dieser durch das standortübergreifende Projekt Fendt ahead2, mit dem Ziel die Kapazität der Werke um über 30% auf 20.000 Fendt -Traktoren zu erweitern und dabei gleichzeitige 25% effizienter zu werden.
Es folgten weitere Projekte um für andere AGCO Konzernmarken die Herstellung der Kabinen aus dem Einkauf an den Standort Asbach-Bäumenheim zu allokieren. Mittlerweile werden über 30.000 Kabinen pro Jahr produziert, wobei durch den weiteren Ausbau zum AGCO Kompetenzzentrum für Kabinen das Volumen binnen der nächsten Jahre auf über 40.000 Kabinen pro Jahr steigen wird.

Die Ausgangslage war nicht ideal

Am Ausgangspunkt im Jahr 2009 war das Fendt -Werk in Asbach- nach dem Verrichtungsprinzip der Werkstattfertigung organisiert. Kennzeichnend seien überfüllte Fertigungsflächen, ein intransparentes Hallenlayout und hohe Bestände an Teilen laufender Aufträge an den Anlagen gewesen. Der Aufwand für Mehrfachhandling von Kisten, Transportbewegungen und das Suchen von Teilen war hoch und die Fertigungssteuerung lief wegen häufigem Fertigungsrückstand dann im Eilt-Teil-Modus. Die Führungsstruktur der Abteilung mit seinerzeit 500 Mitarbeitern sah lediglich eine Meisterebene mit jeweils rund 100 Mitarbeitern vor, wobei durchgängige Schichtführer nicht vorgesehen waren. Entsprechend dem damals für den Bereich der Einzelteilfertigung üblichen „Stand der Technik“ war die Organisation an eingesetzten Technologien ausgerichtet. Heute am Warenfluss und damit an der Wertschöpfungskette.

Ausbau der Kapazitäten - aber nicht nur das

Die Fertigung erreichte im Normalfall Produktionskapazitäten von jährlich 10.000 bis 12.500 in Spitzenjahren auch 15.000 Einheiten. Eine seinerzeit positive Marktlage sowie ein neues Management forderten einen Ausbau der Produktionskapazitäten auf im Endstadium 20.000 Einheiten. Dabei sollte es nicht beim einfachen Ausbau der einzelnen Technologiebereiche bleiben, sondern eine grundlegende Neuorganisation der Fertigung nach Lean-Prinzipien angelegt werden. Die jährlich stattfindenden wiederkehrende Make-or-Buy (MoB)-Analysen führten zu einer selbstkritischen und methodisch strukturierten Vorgehensweise bei der Neuausrichtung.

Portfolio-Analyse

Im ersten Schritt des Umbaus wurden die Produkte analysiert und die notwendigen Kernprozesse herausgearbeitet. Im Ergebnis konzentriert sich der Standort heute auf den Ausbau zum AGCO Kompetenzzentrum für Kabinen selbstfahrender landwirtschaftlicher Fahrzeuge. Der Fokus liegt auf der Fertigung von Kabinen und den dafür notwendigen Prozessen zur Herstellung der Struktur- und Montageteile.

Zur Umsetzung wurden die seinerzeit mehr als 6000 aktiven Sachnummern zusammengefasst. Nach der Clusterung wurden die Teile bzw. der damit einhergehende Kapazitätsbedarf den verfügbaren Kapazitäten gegenüber gestellt. Die Teile für die Kabinenstruktur, die Kabinenmontage und in geringem Umfang für Motorhauben stellen das Portfolio der umstrukturierten Abteilung dar und sollen bestmöglich – in Bezug auf Preis, Qualität und Liefertreue – hergestellt werden.

Standardprozessketten und Umsetzung

Ausgehend von diesem Kernportfolio wurden die zugehörigen Wertschöpfungsketten analysiert. Aufgrund der Werkstattfertigung gab es das kaum Standardprozessketten. Es wurden neue Grundregeln für Standardprozessketten definiert, die letztendlich eine Fließfertigung, also die Anordnung und Abfolge der Anlagen in der Reihenfolge der Arbeitsschritte umfasst. Dabei wurden Anlagen und Maschinen zu kleineren Zellen organisiert. Zum Fluss gehört dann auch, dass Arbeitsgänge übersprungen werden dürfen, aber Bauteile nicht gegen den Fluss bearbeitet werden dürfen. Anschließend wurden die entsprechenden Wertschöpfungsketten erarbeitet. Im Ergebnis wurden drei Standardprozessketten festgelegt:

  • Fluss Rohr- und Profilbearbeitung
  • Fluss Laser/Kant-Teile
  • Fluss Tiefziehteile

Dieser Planungsphase folgte die Umsetzungphase, und zwar parallel zur laufenden Produktion. Es wurden nahezu alle Maschinen in einem Zeitraum von 3 Monaten umgezogen, und das bei laufender Produktion und ohne Ausbringungsverluste.

Volumenflexibilität und Auslastungsmanagement

Die AGCO GmbH baut ihre Traktoren in einer großen Ausstattungsvarianz nach Kundenauftrag. Kennzeichnend sind saisonale Produktionsschwankungen um ± 20 Prozent um das Jahresmittel, die die Fertigung mitgehen muss. Dazu kommt aufgrund einer 25-jährige Ersatzteilgarantie die ebenfalls saisonal schwankende Fertigung von Ersatzteilen auf Maschinen der Serienfertigung. Als dritte Herausforderung in der Kapazitätsauslegung hat sich die Fertigung vorgenommen, möglichst frühzeitig in den NPI-Prozess integriert zu werden. Dementsprechend sollen für Neuprodukte die Teile nicht wie bisher erst zur Nullserie, sondern bereits zur Baustufe im Serien-Umfeld der Fertigung hergestellt werden.

Um diesen Kapazitätsanforderungen gerecht zu werden, wurde die Grundkapazität auf 15 Schichten festgelegt. Kurzfristig kann innerhalb der laufenden Woche auf 17 Schichten und in dringenden Fällen auf 18 Schichten erweitert werden. Genutzt werden dabei auch Partnerschaften mit externen Dienstleistern, die flexibel auf steigenden oder sinkenden Kapazitätsbedarf reagieren können.

Die unterschiedlichen Prinzipien im Vergleich

Hier sei beispielhaft der Unterschied zur typischen Vorgehensweise in der Teilefertigung nach dem Werkstattprinzip geschildert.

  • Während auch bei AGCO vor der Umstellung der Fokus auf der Auslastung der investitionsträchtigen und teuren Anlagen lag wird mittlerweile die Ausbringung des Gesamtsystems, d.h. einen Fertigung-Flusses gesteuert.
  • Konkret heißt dies, dass früher beispielsweise die 2D-Laser im 144-Std Modell betrieben wurden. Fiel ein Mitarbeiter aus, musste jemand aus einen anderen Technologie aushelfen und die Maschinen dort stehen lassen. Die erzeugten Zuschnitte türmten sich.
  • Mittlerweile ist durch FIFO-Strecken zwischen den einzelnen Prozessen einen Fertigungs-Flusses selbst ohne Datenauswertung aus der ERP System visuell ersichtlich auf welche Anlage oder Technologie bezüglich Ausbringung der Fokus gelegt werden muss.
  • Dadurch haben sich die Bestände verringert, Durchlaufzeiten verkürzt, die Gesamtausbringmenge gesteigert und gleichzeitig ist die Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter ruhiger geworden.

Kompetenzfeld Anlagenkonzeption

Innerhalb des Fertigungsbereichs bzw der zugehörigen Prozessplanung wurde ein innovatives Vorgehen zur Konzeption von Fertigungszellen erarbeitet. Mittlerweile werden alle Investitionen in Maschinen nach diesen Prinzipien analysiert. Zunächst wird dabei eruiert, ob das herzustellende Produkt selbst hergestellt wird, eine Vergabe an externe Fertiger (MoB) sinnvoll ist. . D.h. über die herzustellenden Produkte wird er optimale Prozess, zunächst unabhängig von Anbietern und Maschinenlayouts, entwickelt. Erst nach Konkretisierung des optimalen Prozesses werden Layoutvarianten entwickelt und bewerten.

Innerhalb von drei Jahren wurde im Fertigungsbereich die Zahl der roboterautomatisierten Prozesse von 0 auf 16 erhöht, Transportaufgaben durch FTS übernommen und optische Messsysteme mit Online-Anpassung der Prozessparameter in allen Wertschöpfungsketten integriert. So ist auch ein gänzlich neu gestalteter Bereich zur Herstellung der Rohre und Profile für die Kabinenstruktur entstanden.

Produktiver mit neuer Prozesskette

Die damals zeitgemäße Prozesskette lautete: Sägen – waschen – umformen – waschen – sägen / zerspanen – waschen. Ein erheblicher Transportaufwand zwischen den Arbeitsfolgen.
Der aktuelle Prozess lautet: Rohrlaser – Umformen – 3D Beschnitt und ist über die ganze Prozesskette automatisiert. Zur Unterstützung dieses schlanken Prozesses wurde an diversen Stellen Substitutionen vorgenommen. Die Säge durch einen Laser ersetzt (keine Späne, mehr Möglichkeiten in der Beschnittgeometrie), der Einsatz von Schmierstoffen im Umformprozess reduziert indem andere Materialen bei den Werkzeugen eingesetzt werden bzw wasserbasierte Schmierstoffe zum Einsatz kommen. Gleichzeitig konnten deutlich kürzere Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten realisiert werden.

Bei der Konzeption der Zellen werden LEAN-Grundsätze eingearbeitet. Beispielsweise konnten so geringe Losgrößen und Roboterautomation vereint werden (Bericht „Blech Ausgabe 06/2014“). 2 Kantbänke, 3 Roboter und ein Mitarbeiter pro Schicht erledigen die Arbeit, die bei diesem Teilespektrum bis zu 4 Mitarbeiter pro Schicht gebunden hätten.

Wo lohnt sich Roborterautomation?

Bei genanntem Beispiel wurde analysiert, in welchem Teilespektrum das größte Potential für Roboterautomation liegt. Zwei wesentliche Merkmale wurden erkannt. Große Teile, die üblicherweise zwei Mitarbeiter zur Herstellung erfordern und Teile mit besonders vielen Folgekantungen bzw engen Winkeltoleranzen. Die verbauten Winkelsensorik der LVD Kantbänke stellt eine Online-Überwachung und Korrektur sicher. Mehrere Zufuhr- und Ausschleusstationen für Platinen und Teile sowie Roboter, die selbständig die Kantbank rüsten, ermöglichen eine kontinuierliche Produktion in kleinen Losgrößen. Der Mitarbeiter überwacht die Anlage und hat durch die clevere Anlagenkonfiguration dennoch genügend Zeit, die Offlineprogrammierung für die Zelle selbst zu erstellen. Die Arbeitsaufgabe für den Mitarbeiter hat sich grundlegend verändert. Weniger körperliche, stattdessen mehr organisatorische und überwachende Tätigkeiten.

Kulturwandel

Mit den veränderten Produktionsabläufen und der Fertigungsorganisation einher geht eine Veränderung in der Führungskultur: Die Mitarbeiter werden über bevorstehende als auch laufende Veränderungen stetig informiert. Die Führungskaskade wurde verstärkt. Heute wird jede Wertschöpfungskette von einem Meister verantwortet, den drei Schichtführer bei der täglichen Arbeit unterstützen.

Im täglichen Geschäft erlauben konsequente Analysen der Produktivität und Maschinennutzgrade sowie die Pflege dieser Daten im ERP System eine zuverlässige Kapazitätsplanung und somit Steuerung der Mitarbeitereinteilung und der Dienstleister, die als verlängerten Werkbänke arbeiten.
Das Layout in Fertigungsflüssen ermöglicht ein visuelles Management bezüglich der Engpasssteuerung. Dank Hilfsmitteln für eine vorausschauenden Verfolgung der Fertigungstermine Kann heute frühzeitig gesteuert werden, die Produktion läuft ruhiger.
Shop-Floor-Management als zentrales Element und darum angeordnete Methoden, die in einer Coaching-Kultur vermittelt und weiter entwickelt werden, ermöglichen eine proaktiven Arbeitsweise. Fehler werden früher entdeckt und vermieden, denn Nacharbeit und Kundenreklamationen werden signifikant reduziert.
Bereichsintern wird das Zusammenspiel zwischen Tagesgeschäft und Strategie kommuniziert. Die Mitarbeiter werden in Projekte eingebunden , wöchentliche Regelkommunikation mit den Schichtarbeitern oder auch Abteilungs-Entwicklungs-Workshops innerhalb des Führungsteams finden regelmäßig statt.

Resultate

Die Ergebnisse sind beeindruckend. Es wurden über mehrere Jahre hinweg jährliche Produktivitätssteigerung von durchschnittlich 8 Prozent realisiert, und zwar bei gleichzeitig signifikanter Steigerung der Qualität. Die Durchlaufzeiten sind heute um 30 Prozent kürzer. Alle Fertigungsabläufe und damit die Fertigung insgesamt laufen wesentlich ruhiger und vorausschauender.
Besonders erwähnungswert: Als Summe aller Punkte kann ein verändertes, positives, selbstkritisches aber innovatives Selbstverständnis in der gesamten Teilefertigung wahrgenommen werden.

Andreas Schmid

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