Von Wolfgang Boos, Gerret Lukas, Julian Trisjono, Lukas Lübbe
Die vergangenen Jahre haben einmal mehr gezeigt, wie relevant resiliente Beschaffungs- und Vertriebswege sind. Um den stetigen Herausforderungen zu begegnen ist eine Diversifizierung der Lieferanten und der resultierenden Lieferketten unabdingbar. Allerdings fehlt es genau an dieser Stelle an notwendigen Ansätzen zur durchgängigen Identifizierung und Vernetzung mit relevanten Lieferanten. Zentral hierbei ist die in der Praxis oftmals unzureichend durchgeführte Bewertung von Lieferanten. Diese umfasst in der Regel nur die Betrachtung der Merkmale Liefertermintreue und Preis. Es fehlt aktuell an einer umfassenden und unternehmensübergreifenden Systematik. Somit fallen nur dem Unternehmen bekannte Lieferanten in die Betrachtung und Neulieferanten müssen aufwändig am Markt identifiziert werden. Zudem werden wenig bis keine digitalen Tools zur Archivierung und Empfehlung von Lieferanten herangezogen. In vielen Fällen ist es die Expertise von Mitarbeitenden in Form von persönlichen Erfahrungen, die zur Lieferantenidentifikation genutzt wird.
Sammeln von Marktintelligenz
Davon ausgehend befindet sich der Großteil der Marktintelligenz in den Unternehmen und kann nicht übergreifend genutzt werden. Ziel sollte sein, dieses Wissen über die Unternehmensgrenzen hinweg nutzbar zu machen, sodass Erfahrungen und Kennzahlen einer größeren Schnittmenge von Lieferanten in die Betrachtung rücken. Das Sammeln und Aggregieren dieser Informationen sind dabei Kernelemente, die durch digitale Lösungen verarbeitet und nutzbar gemacht werden könnten. Neben der Informationsverwaltung ist ein sogenanntes anforderungsgerechtes Matching zwischen Kunden und Lieferanten digital abbildbar, sodass bürokratische Hürden und organisatorische, repetitive Tätigkeiten verringert werden. Ein potenzieller Kanal dieser Informationsaggregation und -verbreitung ist eine digitale Plattform. Diese orientiert sich an umfassenden Anforderungen von Kunden an Lieferanten, sowie auch Merkmalen und Kompetenzen von Lieferanten selbst. Mit der Plattform wird es somit möglich sein, Kunden und Lieferanten zu beidseitigem Vorteil, wie zum Beispiel den Abbau repetitiver Kunden- und Lieferantenidentifikation, zu vernetzen, indem digitale Möglichkeiten genutzt werden.
Matching von Kunde und Lieferant
Notwendige Basis für eine solche Plattform sind spezifische Unternehmensdaten, die als Kernelemente hinterlegt werden sollten. Daten, wie definierte Kompetenzen, Auslastungen oder auch Anfragen und deren Verknüpfung untereinander, ermöglichen wiederum die Funktionen Identifizierung, Bewertung und Auswahl von Lieferanten. Je nach Anforderung an die Vernetzung führen digitale Schnittstellen zur gewünschten Ausgabe der Informationen. So wird im Rahmen der Lieferantenidentifizierung ein Matching-Algorithmus ausgeführt, der die entsprechenden Anforderungen eines Kunden an einen Lieferanten mit den Kompetenzen, Kapazitäten und monetären Zielgrößen sowie Liefertermin/-treue abgleicht und die Schnittmenge als Ergebnis ausgibt. Diese Vorgehensweise vereinfacht einen Lieferanten-Identifizierungsprozess, indem die Plattform den kennzahlbasierten optimalen Partner vorschlägt. Unterstützend kann die zweite Funktionalität Bewertung dienen, indem anonymisierte und insbesondere standardisierte Bewertungen der Lieferanten von weiteren Kunden als subjektive Einflussgröße die kennzahlbasierten Vorschläge erweitern. Im Zuge der Lieferantenauswahl als dritter Funktionalität sind die beiden bereits genannten Funktionen, in Form von objektiver Eignung als auch subjektiver Bewertung, die notwendige Basis einer optimalen Lieferantenauswahl. Diese Plattform bildet entsprechend den gesamten Interaktionszeitraum und somit die Vernetzung zwischen Kunden und Lieferanten ab.
Laufende Projekte
In einem von der WBA Aachener Werkzeugbauakademie GmbH gestartetem Projekt mit verschiedenen Unternehmen aus der deutschsprachigen Werkzeugbaubranche wurde nun eine solche Lieferantenplattform entwickelt und umgesetzt. Aktuell wird diese Plattform mit dem Projektkonsortium validiert, um möglichst zielführende Inhalte und Funktionalitäten abzubilden. Zudem wurde in einem Forschungsprojekt des Werkzeugmaschinenlabors der RWTH Aachen (WZL) zu biologisch inspirierter nachhaltiger Produktion der Zukunft (BioSusPro) ebenfalls eine datenbasierte Vorgehensweise zur Lieferantenidentifizierung entwickelt. Diese Lösung zielt insbesondere auf das Matching zwischen Kunde und Lieferant ab, indem Kapazitäten und Anforderungen auf beiden Seiten verglichen und zugeordnet werden. Unternehmen teilen vor diesem Hintergrund künftig ihre Erfahrungen und Kennzahlen von Lieferanteninteraktionen untereinander, um aus dieser wachsenden Marktintelligenz resiliente und sichere Beziehungen aufbauen zu können.