Während Teil VI von „Gepflegter Maschinenbau“ (Ausgabe 1/2022)in das Thema Trenntechnik mit einer kleinen Spezialmaschine eingeführt hat, beschäftigt sich Teil VII mit einem großen Bruder der vorgestellten Trennschere. GSW-Vorstand Benjamin Schwabe erklärt in seinem Blog „Gepflegter Maschinenbau VII“, wie sich Trapezbleche effizient schneiden lassen. Diesmal zeigt er keine luft- sondern eine flüssigkeitsbetriebene Schere – eine hydraulische Trennschere der schweren GSW-Baureihe TSHS.
Größte Schere von GSW Schwabe
Mit ihren 2070mm langen Messern ist sie nicht nur die größte bisher bei den Sheet metal fans entstandene Schere, sondern mit einem Gesamtgewicht von über 9 t auch schwerste Schere von GSW. So dick ist allerdings nicht nur die Schere allein, sondern insbesondere der spezielle Unterbau lässt den Zeiger auf der Waage weiterwandern. Und der Unterbau hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich: nicht nur entsteht so die geeignete Durchlaufhöhe für die Coilverarbeitungs-Linie, in die die Schere integriert wird, sondern hier steckt das Herz einer Zusatzfunktion – dem Oszillieren! Eine oszillierende Schere – oder „Schwenkschere“ genannt – erlaubt Schnitte schräg zur Durchlaufrichtung. Es können damit also Bleche unterschiedlichster Geometrien erstellt werden: je nach Schwenkwinkel und Ansteuerung entstehen Trapezbleche, Dreiecks- oder rhomboide Bleche.
Damit erlaubt sie gerade in einer Stanzlinie für große Flächenteile wie die Außenhaut bei Fahrzeugen, Lüftungskanäle oder Rohrbögen. So lässt sich das Material sehr gut mit wenig Verschnitt ausnutzen. Die gezeigte Maschine wird in den USA ihren Dienst verrichten – bei einem Direktzulieferer für General Motors. Die Anforderungen sind entsprechend hoch. Gut, dass die Sheet metal fans auf praktische Erfahrung in dieser Leistungsklasse zurückblicken können. Denn bereits seit 2020 verrichtet eine nahezu leistungsgleiche Maschine in Deutschland ihren anspruchsvollen Dienst. Aller Anfang ist allerdings schwer. So war auch die erste automatische Schwenkschere – 2006 haben die Sheet metal fans sie entwickelt – nach eigenen Angaben noch bescheiden unterwegs: Damals wurde eine handelsübliche 2 m-Tafelschere mit elektrischem Antrieb zugekauft und kurzerhand auf einen Drehsockel gestellt. Der Schwenkantrieb funktionierte über einen Drehkranz mit Zahnkette Allerdings ließen sich damit nur moderate Beschleunigungen erzielen – zu groß waren die zu beschleunigenden Massen. „8 bis 9 Teile pro Minute haben wir damals so geschnitten – wir hätten mehr geschafft, aber bei der Anfahrt der Endlagen haben wir Zeit verloren“, erinnert sich Benjamin Schwabe. Immerhin waren auch dort die Ausgangsbänder schon 1.500 mm breit und bis 3 mm stark und der Kunde froh über die kostengünstige Gesamtlösung. Die aktuelle Technologie ist auf dem Papier zwar in vielem gleich: Eingangsbreite und –dicke unterscheiden sich kaum.
Scherkräfte bis 30 t
Allerdings schneidet die in der GSW Nomenklatur TSHS 200/300 genannte Hydroschere nun hochfeste Bleche, sodass die Scherkräfte die 30 t-Marke erreichen. Das entspricht etwa der fünffachen Schnittleistung. Über einen Schwerlasttisch erfolgt die Drehfunktion nun innenliegend – verwandt mit dem Drehkern einer Doppelhaspel. Eigentlich – so finden die Sheet metal fans – wird dieser profane Name der Technologie und Leistung dieser Einheit aber nicht gerecht: hochgenau, spiel- und quasi verschleißfrei, wird hier über ein spezielles Getriebe mit Servoantrieb rotativ positioniert. Alles ist in einer Baugruppe zusammengefasst: Einfach einbauen – Schere festschrauben – loslegen! Ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn die mechanische Schnittstelle muss extrem steif gebaut sein, und in die Berechnung der erforderlichen Ausführung fließen viele Werte ein. Soviel sei aber hier schon verraten: Im Vlog wird zu sehen sein, wie überraschend leicht die Drehung von Statten geht. Mit der Messerlänge der GSW-eigenen Hydroschere von 2.070 mm ist es möglich 1.524 mm (60 Zoll) breite Streifen mit 30° Schwenkung zu schneiden. Auslaufseitig wurde die Schere für ein Streifenentnahmesystem angepasst – hier werden einzelne Förderstränge teleskopierbar ausgeführt, um die Drehung mitgehen zu können; dadurch wird das Schnittgut immer sicher aus dem Scherenbereich gefahren. Den Einlauf haben die Sheet metal fans mit einer Halbschalenkonstruktion selbst gestaltet – auch hier wird sichergestellt, dass das einlaufende Material störungsfrei übergeben wird. Die Schneidmesser wurden aus höchstvergütetem Werkzeugstahl gefertigt, sodass bei den verarbeiteten Bändern mit über 800 MPa Festigkeit und bis zu 4 mm Dicke besonders lange Standzeiten erzielt werden können. „Von den insgesamt über 9 Tonnen macht allein der bewegliche Aufbau fast die Hälfte aus“, berichtet Schwabe. „Es ist faszinierend, wie spielerisch leicht und vollkommen spielfrei die Trapezschnitte mit dieser Technologie erfolgen können. Verglichen mit der ersten Trapezschnitt-Lösung haben wir hier einen großen Entwicklungssprung hingelegt - effizienter können wir uns derzeit diese Leistung nicht vorstellen.“