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Marion Gutheil ist Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Insolvenzverwalterin und Mediatorin.
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Marion Gutheil ist Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Insolvenzverwalterin und Mediatorin.

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Fünf Antworten zur Geschäftsführer-Haftung

Die „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ schützt Geschäftsführer vor persönlichen Haftungsansprüchen. Doch auch hier gibt es Ausnahmen.

Von Sarah Schulz

Je turbulenter der Markt ist, desto herausfordernder wird die Situation für Geschäftsführer. Denn sie tragen die Verantwortung für das Unternehmen und die Mitarbeiter. Im schlimmsten Fall müssen Geschäftsführer für Fehlentscheidungen persönlich haften. BLECH hat sich mit Marion Gutheil, Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Insolvenzverwalterin und Mediatorin, unterhalten, was Geschäftsführer im Ernstfall beachten sollten.

1. In welchen Fällen haftet ein Geschäftsführer – insbesondere bei Zahlungsunfähigkeit?

Beim Haftungssystem der GmbH ist die Haftung im Normalfall auf das Haftkapital, also mindestens 25.000 € beschränkt. „Wenn ein Geschäftsführer zu hundert Prozent alles richtig macht, haftet er nicht“, kommentiert Marion Gutheil. Der Haftungsfall tritt dementsprechend erst ein, wenn die Pflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters verletzt wurden – die Geschäftsführung haftet dann persönlich mit dem Privatvermögen.

Doch was ist bei einer Insolvenz zu tun? Im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind Geschäftsführer dazu verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies muss innerhalb einer Frist von spätestens 3 Wochen bei Zahlungsunfähigkeit und innerhalb von 6 Wochen bei Überschuldung geschehen. Andernfalls haften Geschäftsführer persönlich für ab Insolvenzreife veranlasste Zahlungen, da sie nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind. Dies gilt auch in herausfordernden Zeiten, es sei denn, der Gesetzgeber beschließt – wie während der Coronapandemie – eine Aussetzung der Antragspflicht.

Die Haftungsregelungen sind in der Insolvenzordnung (InsO) in §§ 15 a und 15 b nachzulesen.

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2. Inwieweit sind Manager zur Krisenfrüherkennung verpflichtet? Welche Instrumente stehen dafür zur Verfügung?

Zum 01.01.2021 wurde durch das sogenannte Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) in § 1 festgelegt, dass Unternehmen Instrumente zur Krisenfrüherkennung installieren müssen. „Der Geschäftsführer ist also verpflichtet, fortlaufend über die Entwicklung seines Unternehmens zu wachen und zu verfolgen, welche Tendenzen den Fortbestand der Gesellschaft negativ beeinflussen könnten“, erklärt Marion Gutheil. Gegebenenfalls müssen Gegenmaßnahmen ergriffen und die zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organe wie beispielsweise der Aufsichtsrat informiert werden. Auch die Gesellschafterkreise sind zu informieren. „Das ist natürlich gerade in den aktuellen Krisenzeiten ein scharfes Schwert, denn manche Entwicklungen lassen sich derzeit nicht mal mehr kurzfristig prognostizieren“, so Marion Gutheil weiter. „Deshalb ist es wichtig, dass die Geschäftsleitung auf der Grundlage angemessener Informationen immer zum Wohle der Gesellschaft handelt und diese Entscheidungen nachvollziehbar dokumentiert.“ Marion Gutheil schlägt vor, hierfür eine Checkliste mit Fragen zu entwickeln, welche die Parameter einer erfolgreichen Unternehmensführung abfragen: Wie ist es um die Reklamationsquote, die Liefertreue und die Lagerbestände bestellt? Verändern sich die eigenen Zahlungsziele und wie steht es um das Mahnwesen? Sind alle notwendigen Positionen besetzt?

Zusätzlich ist das Bundesministerium der Justiz (BMJ) gesetzlich verpflichtet, entsprechende Instrumente zur Verfügung zu stellen. Diese finden sich auf der Internetseite des BMJ.

3. Was darf ein Manager nach Eintritt der Insolvenzreife noch?

Ist die Insolvenzreife erreicht, die Antragsfrist (3 oder 6 Wochen) aber noch nicht abgelaufen, sind gemäß InsO § 15 b bestimmte Zahlungen explizit erlaubt. Diese sollen es ermöglichen, Restrukturierungsmaßnahmen einzuleiten sowie den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. „Das ist eine ganz wichtige Änderung: Früher war es umstritten, ob man in einer Krise eigentlich auch Dienstleistungen und etwas ähnliches bezahlen durfte, weil diese im Insolvenzfall keine verwertbare Vermögensposition für die Insolvenzgläubiger darstelle“, führt Marion Gutheil aus. Zum Beispiel wäre es früher kritisch gewesen, eine EDV-Anlage reparieren zu lassen, da keine Vermögenswerte geschaffen würden, die zu Geld gemacht werden könnten. „Das ist jetzt inzwischen geklärt, eine uneingeschränkte Betriebsfortführung soll möglich sein, solange man die Antragsfristen nicht verletzt.“ Altverbindlichkeiten sollten jedoch nicht mehr bezahlt werden.

Wird nach Ablauf der drei- oder sechswöchigen Frist jedoch kein Insolvenzantrag gestellt, sind alle Zahlungen, die danach geleistet werden, nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Dazu zählen nicht nur Auszahlungen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch die Vereinnahmung von Geldern auf im Soll geführten Konten. Zudem haftet der Geschäftsführer persönlich auf Erstattung aller Zahlungen an Sozialversicherungsträger und die Finanzverwaltung, die nicht mehr getätigt werden dürfen. Es entsteht ein Konflikt zur strafrechtlichen Verantwortung. Die Lösung ist nur die rechtzeitige Insolvenzantragstellung.

Wenn das Haftungskapital einer GmbH aufgezehrt ist, sollte keine Auszahlung mehr getätigt werden – auch nicht an die Gesellschafter. Andernfalls haftet der Geschäftsführer auch hier persönlich. „Geschäftsführer sollten also darauf achten, dass nicht der letzte Euro ausgegeben ist, bevor ein Insolvenzantrag gestellt wird“, betont die Fachanwältin.

4. Welche Haftungsrisiken bestehen nach der Insolvenzantragstellung?

Grundsätzlich unterscheidet die Insolvenzordnung zwischen zwei verschiedenen Abwicklungsarten, der Regelverwaltung und der Eigenverwaltung. In der Regelverwaltung verliert der Geschäftsführer mit der Insolvenzantragstellung bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters seine wesentlichen Befugnisse im Unternehmen. In der Eigenverwaltung hingegen bleibt der Geschäftsführer eigenständig, ihm wird aber ein sogenannter vorläufiger Sachwalter zur Seite gestellt. Dieser wacht darüber, dass durch die weitere Tätigkeit die Gläubigerinteressen nicht gefährdet werden. In dem Fall ist der Geschäftsführer weiter haftbar, vergleichbar einem Insolvenzverwalter, wenn er insolvenzspezifische Pflichten verletzt.

5. In welchen Fällen ist darüber hinaus Vorsicht geboten?

Neben der finanziellen Stabilität des Unternehmens unterstreicht Marion Gutheil auch die Compliance als wichtige Pflicht des Geschäftsführers: „Die Geschäftsführung muss darauf achten und sicherstellen, dass das Unternehmen legal agiert.“ Zentral hierfür ist die Einrichtung eines Compliance Management Systems oder einer Whistleblower Hotline. Hilfreich sind auch vorbeugende Maßnahmen. So können das Vier-Augen-Prinzip oder ein regelmäßiger Wechsel von Zuständigkeiten dazu beitragen, Korruption zu vermeiden. „Ein weiteres Thema ist die Scheinselbstständigkeit. Wenn Kleinstunternehmer beschäftigt werden, die keinen weiteren Auftraggeber haben, ist das schnell der Fall. Wird das bei einer Sozialversicherungsprüfung aufgedeckt, führt auch dies zu entsprechenden Schadensersatzansprüchen, welche die Geschäftsführung unmittelbar selbst treffen“, fügt Marion Gutheil hinzu. „In jedem Fall ist es wichtig, dass der Geschäftsführer, sollte er Unregelmäßigkeiten entdecken, juristische Hilfe an der Hand hat, die ihn fachkundig berät.“

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 Im Insolvenzfall verliert der Geschäftsführer mit der Antragstellung in der Regelverwaltung bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters seine wesentlichen Befugnisse im Unternehmen. In der Eigenverwaltung hingegen bleibt der Geschäftsführer eigenständig.
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Im Insolvenzfall verliert der Geschäftsführer mit der Antragstellung in der Regelverwaltung bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters seine wesentlichen Befugnisse im Unternehmen. In der Eigenverwaltung hingegen bleibt der Geschäftsführer eigenständig.

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