Mit dem Bau eigener Rund- und Längsnahtfräsen hatte Graebener Mitte der 1980er-Jahre ursprünglich aus einem schwergewichtigen Problem heraus begonnen. Die im Großrohrwerk Netphen-Werthenbach hergestellten Rohre wurden immer dickwandiger und sorgten zunehmend für Transportprobleme. Die bis zu 70 m langen und bis zu 70 t schweren Rohre mussten daher erst auf den Baustellen zusammengeschweißt werden. Es entstand die Idee einer mobilen Fräsmaschine, mit deren Hilfe die Schweißnahtvorbereitung an den Rohren vor Ort erfolgen konnte. Für die Fräsmaschinen arbeitete Graebener vom ersten Tag an mit der Ingersoll Werkzeuge GmbH zusammen. Zur Bearbeitung der Rohre wurden gemeinsam Fräsköpfe für Rund- und Längsnahtfräsen entwickelt, aber auch für andere Anwendungsfelder, etwa zur Schweißnahtvorbereitung an Blechen und Profilen. Zu Beginn hatte man dabei mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, wie Dieter Kapp, Geschäftsführender Gesellschafter von Graebener, berichtet: „Die ersten Fräsköpfe hielten nur ein paar Tage und unsere Getriebe waren ebenso schnell beschädigt, da es für diese neue Bearbeitungsmethode noch keinerlei Erfahrungen gab.“ Doch Graebener und Ingersoll hielten an dem Konzept fest und betrieben im Laufe der Jahre eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Maschinen und Fräswerkzeuge. Wenige Jahre nach den ersten Fräsen für den internen Gebrauch waren die Maschinen langlebig, leistungsfähig, prozesssicher und somit marktfähig. McDermott in Schottland und Sif aus den Niederlanden, damals führende Anbieter für dickwandige Rohre, Behälter und Apparate, waren die ersten beiden Kunden. Heute ist Sif auf Gründungsstrukturen von Offshore-Windkraftanlagen spezialisiert.
Offshore-Markt wächst
Die von Graebener hergestellten Maschinen zur Schweißnahtvorbereitung waren die ersten ihrer Art. Mit über 200 ausgelieferten Fräsmaschinen innerhalb der zurückliegenden 25 Jahre ist Graebener aus dem Markt nicht mehr wegzudenken. Von diesen Maschinen entfallen etwa 150 auf das Fräsen von Schweißnahtvorbereitungen für die Rund- und Längsnähte an zylindrischen und konischen Bauteilen mit Durchmessern von bis zu 15 m und Wandstärken bis zu 200 mm. Allein in den vergangenen Jahren wurden über zwei Dutzend Rundnaht- und halb so viele Längsnahtfräsen an die Wind-Offshore-Industrie verkauft. Inzwischen setzen namhafte Hersteller von Gründungsstrukturen für Windkraftanlagen im On- und Offshore-Bereich die Fräsen von Graebener ein. Vor allem der Offshore-Markt erlebt einen anhaltenden Boom und beschert Graebener eine hohe Nachfrage. Die Windkraft soll in immer mehr Teilen der Welt für grüne Energie genutzt werden. Auf den sich in den USA entwickelnden neuen Markt hat der Maschinenhersteller bereits mit einer eigenen Niederlassung in Texas reagiert, wo eine transportable Rundnahtfräsmaschine als Vorführanlage bereitsteht. Auch vor Japans Küste entstehen neue Windparks. Hier möchte ein Hersteller von Monopiles den kompletten Zusammenbau nicht in einer Halle, sondern im Freien bewerkstelligen. Um diese Anforderung erfüllen zu können, entwickelt Graebener Maschinen, die sich auch für den Outdoor-Einsatz unter freiem Himmel eignen. Die Monopiles werden aus mehreren einzelnen zylindrischen und konischen Stahlringen zusammengesetzt, den sogenannten Rohrschüssen. Typische Dimensionen für einen solchen Schuss sind ein Durchmesser von 13 m und maximale Längen von 4 m. Bei Wandstärken von 120 mm ergibt sich ein Einzelgewicht von bis zu 150 t je Schuss. Die Schüsse werden nach dem Biegen zunächst längs von innen und dann von außen verschweißt. Danach erfolgt das Zusammensetzen von bis zu sechs Schüssen zu einer Sektion. Drei bis vier dieser zusammengesetzten Sektionen wiederum bilden den sogenannten Monopile. Ein Monopile hat in Summe etwa 192 m Längs- und 940 m Rundnähte sowie ein Gesamtgewicht von bis zu 2.500 t.
Effektive Schweißnahtvorbereitung
Die Fräsen von Graebener ermöglichen eine sehr effiziente, wirtschaftliche Vorbereitung der äußeren Schweißnähte. Der Prozess ist schnell, materialsparend und präzise. Während die Herausarbeitung der Innenschweißnaht-Wurzel zuvor manuell mit einem sogenannten Fugenhobel durch Funkenerosion und anschließendem Schleifprozess erstellt wurde, erzeugt nun ein Scheibenfräser von Ingersoll eine schmale kelchförmige Nut. Der Winkel dieser äußeren Schweißnahtvorbereitung, der herkömmlich etwa 60° betrug, wird durch den Fräsprozess mittels Scheibenfräser standardmäßig auf 16° reduziert. Hierdurch verringern sich die nachfolgende Materialeinbringung und Schweißzeit. Die Gesamtkostenersparnis bei der Schweißnahtvorbereitung mit Graebener Maschinen beträgt laut Hersteller gegenüber der herkömmlichen Bearbeitung 38 %. In mehreren Durchgängen dringt der Fräser bis zu 150 mm tief bis zur Wurzellage der Innennaht ein. Die saubere, gleichmäßige Nut, die keine weitere Nachbearbeitung erfordert, ist die Voraussetzung für einen automatisierten UP-Schweißprozess. Der Fräsprozess ist zudem gegenüber den herkömmlichen Fugenhobel um ein zehnfaches schneller. Das Verfahren eignet sich ebenso sehr gut für Reparaturarbeiten an den Schweißnähten, um lokale Fehlstellen auszufräsen. Für die Rund- und Längsnahtfräsen liefert Ingersoll V-förmige Scheibenfräser mit Radius R7/R8 im Kopfbereich und Öffnungswinkeln von 14° bis 16°. Darüber hinaus werden auch kundenindividuelle Scheibenfräser angeboten. Die Durchmesser dieser großen Werkzeuge liegen überwiegend zwischen 850 mm und 1060 mm. Bestückt sind die Scheibenfräser mit unterschiedlichen Schneidplatten für Kopf und Flanken des Werkzeugs. In der Regel sind das Wendeschneidplatten mit negativer Schneidgeometrie. Für die Kopfschneiden wird wegen der erhöhten Zahnbelastung meist ein Körperschutz oder Kassetteneinsätze verwendet. Bei den Flankenschneiden kann darauf verzichtet werden, da durch den Flankenwinkel eine geringere Zahnbelastung entsteht.
Schwingungen fest im Griff
Je nach Bauteil treten bei der Bearbeitung Schwingungen am Rohrkörper auf. Das ist ein großes Problem, denn diese können Ausbrüche an den Schneiden verursachen und in der Folge Verschleiß bewirken. Bei der Auslegung der Maschine achtet Graebener deshalb darauf, Fräskopf und Getriebe auf das erwartete Schwingungsverhalten abzustimmen. Das größere Problem stellen allerdings die riesigen Werkstücke dar. Hier wirft Graebener seine ganze Erfahrung in die Waagschale, um für die jeweilige Bearbeitungssituation beim Kunden die optimale Lösung anzubieten. Einen großen Einfluss auf das Schwingungsverhalten der Bauteile hat einerseits die Rohrdrehvorrichtung, andererseits spielen aber auch der Durchmesser und die Wandstärke der Rohre eine wesentliche Rolle. Vor allem dünnwandige Schüsse neigen dazu, während der Bearbeitung zu schwingen. Um dabei Schneidkantenausbrüche zu vermeiden, setzt Ingersoll Wendeschneidplatten mit besonders zähem Grundsubstrat ein, welches durch eine entsprechende Beschichtung die notwendige Verschleißfestigkeit erhält. Hinzu kommt, dass die Rohrschüsse eine gewisse Ovalität aufweisen. Um diese beim Rundnahtfräsen auszugleichen und trotzdem eine gleichbleibende Frästiefe zu erreichen, wird die Frästiefe mithilfe von Sensoren automatisch korrigiert. Ein seitlicher Drift des Werkstücks auf der Rohdrehvorrichtung wird bei den Rundnahtfräsen mittels einer seitwärts gerichteten Fräserverstellung kompensiert.
An die Anwendung anpassbar
Die von Graebener gebauten Maschinen sind standardisiert und können je nach Kundenanforderungen spezifisch angepasst werden. Dabei geht es vor allem darum, die Maschine abhängig vom jeweiligen Fertigungsumfeld in die ideale Arbeitsposition zu bringen. Christian Landau, Vertriebsleiter bei Graebener, umreißt die Möglichkeiten: „Unsere Maschinen können zum Beispiel auf Schienen verfahren oder mit verschiedenen Unterbauten auf die entsprechende Fräshöhe gebracht werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Monopiles mit unterschiedlichen Rohrdurchmessern und Konusübergängen.“ Als Basis für diese individuellen Lösungen dient eine Auswahl an Grundmaschinen in den Leistungsbereichen zwischen 30 kW und 65 kW, die sich für verschiedene Frästiefen eignen. „Wir haben die Leistung unserer Maschinen so ausgelegt, dass wir für den jeweiligen Anwendungsfall optimale Schnittgeschwindigkeiten fahren können“, erläutert Dieter Kapp. „Dabei legen wir viel Wert auf das optimale Drehmoment an der Frässpindel.“
Auf zu neuen Entwicklungszielen
Unterdessen gibt es für Graebener und Ingersoll neue Entwicklungsziele: Maschinen und Werkzeuge, die für die Bearbeitung anspruchsvoller Materialien optimiert sind. Sie werden nicht für Monopiles verwendet, wohl aber in anderen Industriebereichen, in denen Graebener aktiv ist. Im Druckkessel-, Behälter- und speziellen Rohrbau bearbeiten die Graebener Fräsanlagen auch Materialien wie Edelstähle, hochfeste Aluminiumlegierungen und Sonderstahlgüten. Ein Problem ist hier die Bandbreite an unterschiedlichen Materialzusammensetzungen mit verschiedenen Eigenschaften. „Für die vielen Materialien gibt es keine standardisierte Lösung“, sagt Andreas Bulla, Produktmanager Tangentiale Werkzeuge/Gewindefräsen bei Ingersoll. „Um je nach Material möglichst wenig Wärme an der Schneidkante zu erzeugen, optimieren wir beispielsweise die Schneidgeometrie. Zusätzliche Hitzerillen im Spanflächenbereich minimieren das materialbedingte Aufkleben der Späne an der Schneidkante und reduzieren die Reibwärme durch Kontaktflächenminimierung.“ Je nach Werkstoff setzt Ingersoll hier für die Wendeschneidplatten verschiedene Geometrien und Qualitäten ein. Im Gegensatz zur Bearbeitung der Stahlrohre werden für die Bearbeitung von Edelstahl sowohl für die Kopfschneiden als auch für die Flankenschneiden vorzugsweise positive Schneidgeometrien gewählt.