Rund, rund, rund sind alle meine Rohre. Doch leider ist die Welt nicht so perfekt wie in diesem adaptierten Kinderlied. Im Biege- und Schweißprozess, beim Transport oder der Lagerung können sich Verformungen einschleichen, die dafür sorgen, dass ein Rohr nicht mehr die gewünschte Rundheit vorweisen kann. Die Qualitätskontrolle mit dem bloßen Auge oder einer Schablone stößt hier schnell an ihre Grenzen – besonders bei der Überprüfung der Innenkontur. Bisher mussten in den meisten Fällen ungenaue Messungen an der Außenseite genügen. MSG Maschinenbau hat für diese Anwendungsfälle ein flexibles Messgerät entwickelt, das mittels eines ausgeklügelten Systems aus Ringlaser und Kameras ein 3D-Modell der Innengeometrie in Echtzeit liefert. Entstanden ist das GMS-I aus einem im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) geförderten Forschungsprojekt zur Entwicklung innovativer Produkte.
Über 2.000 radiale Punkte mit nur einer Aufnahme
Neben dem innovativen Algorithmus der MSG-Bildverarbeitung ist das Lasermodul Flexpoint Radial von Laser Components ein wesentlicher Bestandteil des Messgeräts. Es erzeugt einen feinen, ringförmigen Strahl mit einer Homogenität von 80 %. „Das war eine wesentliche technische Herausforderung in der Entwicklung: Für die Bildverarbeitung durch die Kameras musste die Laserlinie in ihrer Dicke und Intensität in einem Winkel von 360° so homogen wie möglich sein“, unterstreicht Matthias Kramer, Geschäftsführer von MSG Maschinenbau. Möglich wird das, indem das Laserlicht im Modul auf einen kegelförmigen Spiegel gelenkt und dort gleichmäßig in einem Winkel von 360° reflektiert wird. „So hat das Lasermodul selbst nur eine Baulänge von 75 mm und einen Durchmesser von 11,5 mm“, zeigt sich Stephan Krauß, Produktingenieur bei Laser Components, zufrieden. Das Modul sitzt am Ende einer hohlen Stange, die für die Messung problemlos in das Rohr geschoben werden kann beziehungsweise über die das zu vermessende Rohr geschoben wird. Kameras erfassen anschließend innerhalb einer Belichtungszeit von unter einer Sekunde über 2.000 radiale Punkte. Auf Basis dieser Bilder wird ein 3D-Modell der Innengeometrie erstellt, das von der hohen Messgenauigkeit von bis zu 50 µm profitiert. So werden auch kleinste Unregelmäßigkeiten in der Struktur sichtbar.
Livedarstellung der kompletten Rohrgeometrie
Durch die Messung erhält der Nutzer eine Echtzeitdarstellung der Innenkontur, die ihm übersichtlich aufbereitet wird, und kann beispielsweise bei Biegevorgängen direkt reagieren. Bei der Kalibrierung kann der Bediener zum Beispiel das Überbiegen live sehen und bewerten. Ein Nachmessen mit einer Schablone wie bisher ist nicht nötig. Gleichzeitig erfolgt eine vollumfängliche Digitalisierung der Messergebnisse, die beispielsweise für die Dokumentation und Prozessoptimierung eingesetzt werden können. „Hier zeigt sich auch die innovative und nachhaltige Wirkung des GMS-I: Wir helfen Unternehmen, Schritte zu reduzieren. Sie wissen sofort, wo das Rohr unrund ist und können dort gezielt ansetzen“, verweist Kramer auf das ursprüngliche Ziel des Forschungsprojekts. Das GMS-I kann stationär in einer Fertigungslinie zum Einsatz kommen, aber auch als Handapplikation. Bei der Inline-Anwendung wird der Messkopf über ein 24 V-Kabel versorgt und die Daten über eine entsprechende Schnittstelle ausgegeben, sodass der Bediener sie sich in Echtzeit anzeigen lassen kann. Für die Handanwendung arbeitet MSG Maschinenbau gerade an der Integration eines kleinen, akkubetriebenen Computers, der die Daten über WLAN weiterkommuniziert.
„Absolut industrietauglich“
„Industrietauglichkeit ist ein wesentlicher Faktor bei den Produkten von MSG Maschinenbau. Deswegen haben wir auch beim GMS-I viel Wert auf den Schutz gegen widrigste Umgebungsbedingungen gelegt“, erklärt Kramer. So sollte die Messqualität möglichst temperaturkonstant ausfallen. Zu diesem Zweck wurden für das Gehäuse hauptsächlich Materialien verwendet, die nur eine minimale Dehnung zulassen, wie Kohlenfaserverbindungen, und die Wärme schnell ableiten. Restliche temperaturspezifische Dehnungsfehler werden zudem durch Kompensationsberechnungen im MSG-Algorithmus eliminiert. „Damit ist es egal, ob morgens um 5 Uhr bei 20 °C oder nachmittags um 15 Uhr bei über 30 °C gemessen wird. Die Genauigkeit ist weiterhin gegeben“, so der Geschäftsführer weiter. Aus diesem Grund zeigt das GMS-I auch bei Warmumformungen konstante Ergebnisse. Die Notwendigkeit einer Kalibrierung im weiteren Verlauf entfällt. Ebenso sollte das GMS-I möglichst robust sein, um in fordernden Industrieumgebungen weiterhin zuverlässig Messergebnisse zu liefern. Beispielsweise ist es unempfindlich gegen Verschmutzungen und Stäube. Auch kleinere Stöße stellen kein Problem dar, da die empfindlichen Laserteile durch eine intelligente Mechanik geschützt werden. „Außerdem kommt das Lasermodul ohne rotierende Elemente aus, die es anfällig für Störungen machen würden“, bemerkt Krauß.
Einfach modifizier- und flexibel einsetzbar
Das GMS-I ist einfach für verschiedene Produktspektren modifizierbar. Es lassen sich problemlos Innendurchmesser von 300 mm bis zu 2 m messen. MSG Maschinenbau legt das Produkt genau nach den Anforderungen des Anwenders aus, sodass die Auflösung immer optimal ist: „Wir können zusammen mit Laser Components den Zirkularlaser in seiner Leistung modifizieren. Auch das Gesamtchassis – das war ebenfalls ein Schwerpunkt in der Entwicklung – lässt sich so modifizieren, dass es genau zum Bedarf des Kunden passt“, führt Kramer aus. Die Materialbeschaffenheit und Form der zu vermessenden Rohre hat dabei nur wenig Einfluss auf das Messergebnis. So lassen sich Schwarzrohre ebenso gut vermessen wie Clad-Rohre. Auch einfache Beschmutzungen wie Stäube, Abplatzungen oder Zunderreste können aus dem Messergebnis herausgefiltert werden. Die geringe Größe des Messkopfes und seine Robustheit ermöglichen zudem einen breitgefächerten Einsatzbereich. Denkbar sind Anwendungen in einer Biege- oder Kalibrierpresse, zur stichprobenartigen Qualitätsprüfung, zur Digitalisierung von Produktionsergebnissen, im Lager oder bei der weiteren Verarbeitung direkt vor Ort. Gerade bei der Inline-Anwendung kann das GMS-I auch zur Automatisierung von Pressen eingesetzt werden.
Erste Praxiseinsätze
MSG Maschinenbau hat das GMS-I erstmals auf der Messe Tube im Juni 2022 vorgestellt. Parallel werden zwei dieser Systeme in dem neuen Produkt Pipesizer der Dango & Dienenthal GmbH, einem Spezialmaschinenbauer aus Siegen, implementiert. Hier soll das GMS-I an und in einer Kalibrierpresse eingesetzt werden