Unsere Idee war eine Maschine, die so viel an Technik aufnimmt wie sie kann, sodass wir weniger Technik ins Werkzeug bringen müssen“, sagt Daniel Jud, Geschäftsführer der PWS Presswerk Struthütte und zeigt auf die 800-t-Servopresse der Baureihe Ebu STA-G800/4500 P2RS von Ebu Umformtechnik. Aus der Idee ist eine in dieser Gattung einzigartige Maschine geworden: Ausgestattet mit einem Doppelservoantrieb verfügt die Stufenpresse zudem über hydraulische Ziehkissen und hydraulische Auswerfer sowie einen Transfer, der auf einer Tischhälfte vorwärts und auf der anderen rückwärts fördern kann.
Dazu kommt ein insgesamt ungewöhnlicher Aufbau mit jeweils im rechten Winkel zur Presse angeordneten Materialzu- und abfuhr, sowie eine kombinierte Zickzack-Vorschub-Richtmaschine und eine vorgeschaltete Schneidpresse. „Dass wir diese Gesamtanlage so konfigurieren konnten, wie wir sie haben wollten, das ging nur mit einem Partner auf Augenhöhe“, betont Daniel Jud.
Umformteile aus Edelstahl und Baugruppen
PWS Presswerk Struthütte in Neunkirchen im Siegerland ist Erstausrüster der Automobilindustrie und hat sich auf Umformteile aus Edelstahl sowie Baugruppen spezialisiert. 200 Mitarbeiter erwirtschaften in Neunkirchen im Siegerland einen Umsatz von rund 50 Mio. Euro. Aktuell ist PWS hauptsächlich für Bauteile im Abgasbereich aktiv, unter anderem für SCR-Katalysatoren (SCR: selective catalytic reduction). In der Mustersammlung finden sich aber auch Raritäten wie die Radkappen für den VW-Käfer, die mit den Originalwerkzeugen gefertigt werden.
Das 1939 gegründete PWS Presswerk Struthütte hat sein Fertigungsspektrum über die Jahre deutlich erweitert und setzt auch weiterhin auf zukunftsträchtige Techniken. Neben Pressen und Fügezellen ist auch eine Wasserstrahlschneidanlage zu entdecken, die man zum Schneiden moderner Leichtbauwerkstoffe einsetzt. Der 32-jährige Daniel Jud leitet das Unternehmen in vierter Generation. Er hat 2015 nach dem frühen Tod seines Vaters die Geschäftsführung übernommen und setzt auf zukunftsfähige Hochtechnologien für die Fertigung. „Schließlich habe ich noch einige Jahre mit den Maschinen vor mir“, sagt er und verweist auf die Vorgängermaschine der neuen Stufenpresse. Deren Baujahr datiert immerhin auf 1961.
Eine individuelle Presse für PWS
Entsprechend groß war die Innovationsfreude bei der neuen Presse. „In der Projektierungsphase, die 2015 begann, ist das Projekt fast mit jedem Gesprächstermin gewachsen“, erinnert sich Harry Wölfel, Vertriebsleiter bei Ebu Umformtechnik. Aus der ursprünglich geplanten Ersatzinvestition für eine 600-t-Stufenpresse wurde eine auf PWS spezifisch zugeschnittene Pressenlösung, die mit einer maximalen Hubzahl von 57 min-1 deutlich die Produktionskapazität erhöht. Dazu bietet die Maschine mit Werkzeugwechselzeiten von rund einer Stunde bei eingefahrenen Werkzeugen eine deutlich höhere Verfügbarkeit.
„Viele pfiffige Ideen wurden in der Presse umgesetzt, die bei einer neu projektierten Presse mit wenig Aufwand zu realisieren sind, sich in einer Bestandspresse aber nur schwer nachträglich einbauen lassen“, resümiert Daniel Jud.
Mehr Funktionen auf gleichem Bauraum
So wurde im Projekt die geplante Tischlänge von 4.000 mm auf 4.500 mm angehoben und die verarbeitbare Bandbreite von 400 mm auf 800 mm erweitert. Trotz der geometrischen Änderungen stand für die neue Presse unwesentlich mehr Platz zur Verfügung als für die alte Maschine. Konstruktiver Ausweg ist ein U-förmiger Aufbau. Zur zentralen Servopresse sind auf der Einlaufseite die Coilanlage samt Vorschub-Richtmaschine und Vorstößelpresse im 90°-Winkel zur Presse angeordnet. Die Bandanlage selbst ist für Querschnitte bis 2.400 mm2 ausgelegt und verarbeitet Bandbreiten bis 800 mm. Platzsparend folgt auf die 7,5-t-Haspel eine kompakte Zickzack-Vorschub-Richtmaschinen-Kombination, die das Band mit einem seitlichen Verschiebeweg von ± 250 mm im Zickzack-Betrieb in die Schneidpresse transportiert. Die 150-t-Schneidpresse wurde erforderlich, weil 800 mm Bandbreite bei 3 mm Banddicke nicht anders zu verarbeiten waren. Sie arbeitet mit 100 mm Festhub und kann mit bis zu 100 min-1 betrieben werden.
Die in der Schneidpresse ausgestanzten Ronden transportiert das System über Platinenabsenker, Übersetzer sowie Drehstation und ein rechtwinklig zur Schneidpresse angeordnetes Förderband an das Transfersystem der Servopresse. Das Restgitter dagegen wird zerhackt und geradeaus durch die Schneidpresse in den Schrottbehälter transportiert.
Kernmaschine ist ein Stufenumformautomat vom Typ Ebu STA-G800/4500 P2RS mit 8.000 kN Presskraft, die von einem hochdynamischen Servo-Torque-Antrieb „Ebu Servotech“ mit zwei Servomotoren und einem Planetengetriebe aufgebracht werden. Für das Energiemanagement sorgt „Ebu Energetics“. 500 mm Hubhöhe bieten Platz auch für aufwändige Werkzeuge und eine schwingungsdämpfende Gussausführung sorgt für Präzision.
Hydraulische Ziehkissen
Für den Betrieb als Stufenpresse sind hydraulische Ziehkissen und hydraulische Auswerfer installiert. Pneumatische Ziehkissen ließen sich wegen des geringen Bauraums nicht darstellen, betont Wölfel. Von den zwölf hydraulischen Ziehkissen sind zwei mit je 200 kN Ziehkraft und zehn mit je 100 kN Ziehkraft ausgelegt. Dazu kommen zwölf hydraulische Auswerfer im Stößel oberhalb der Ziehkissen. Versorgt werden die Ziehkissen und der Auswerfer über einen 5.000-Liter-Öltank im Fundament.
Im Gegensatz zu den üblichen pneumatischen Ziehkissen sind die hydraulischen Systeme mehr oder weniger inkompressibel und müssen hochdynamisch agieren. Im Rahmen der Abnahme der Presse habe sich gezeigt, sagt Harry Wölfel, dass bei den Ziehkissen ein optimaler Kompromiss zwischen Schnelligkeit und Kraft gefunden worden sei.
Transfer innerhalb der Presse
Innerhalb der Stufenpresse transportiert eine spezielle Förderstrecke in Kombination mit einem 3D-Transfer die Ronden getaktet durch die Stufenwerkzeuge mit maximal 13 Werkzeugstufen. „Wir haben den Transfer so auslegen lassen, dass er gegebenenfalls auch die Werkstücke auf einer Seite des Arbeitstisches nach vorne und auf der anderen Seite nach hinten fördert“, ergänzt Daniel Jud. Das sei im Moment zwar noch nicht gefragt, verdoppele aber bei Bedarf die Zahl der Umformstufen.
PWS arbeitet seit dem Jahr 2010 mit Servopressen. Die Einrichter sind mit der Technik vertraut und können mit den Maschinen umgehen. „Wir fahren mit den selben Werkzeugen, die wir auf der alten Maschine eingesetzt haben, mit merklich höheren Hubzahlen“, erläutert Daniel Jud. Das erreichen die Einrichter, indem sie die Geschwindigkeit des Stößels in der Umformphase gleich lassen wie auf der alten Presse, aber im Leer- und Rückhub sehr viel höhere Geschwindigkeiten festlegen.
Freiheit bei der Programmierung - aber einfache Bedienung
Bei der Programmierung der Stößelbewegungskurven lässt Ebu Umformtechnik den Betreibern alle Möglichkeiten offen. Die Bewegungskurven können vollkommen frei definiert werden. „Wir gehen davon aus, dass ein Betreiber weiß, was er an der Presse tut“, erläutert Harry Wölfel. Damit das tatsächlich so ist, haben auch beim Projekt mit PWS die Pressenbauer aus Bayreuth schon während der Projektgespräche über alle konstruktiven Maßnahmen an der Presse und deren Hintergründe intensiv informiert. Und auch die Schulungen seien sehr intensiv gewesen, betont Daniel Jud. Je mehr die Einrichter über die Presse wissen, desto eher können sie sich bei Problemen selber oder mit Unterstützung aus dem Ebu Service helfen.
Die Bedienung der Steuerung selbst sei vergleichsweise einfach. Alle Bewegungen innerhalb der Presse werden aufeinander abgestimmt. So sei der elektromechanische Transfer beispielsweise vom Stößel entkoppelt, weil dieser den teils hohen Stößelgeschwindigkeiten im Leerhub ohnedies nicht folgen könne. Stattdessen folgt der Transfer einer virtuellen Kurve, die festlegt, dass er sich zu vorgegebenen Zeiten an definierten Positionen befindet.
Schnelligkeit ist Trumpf
PWS beschäftigt 40 seiner 200 Mitarbeiter im Werkzeugbau und baut 80 % seiner Umformwerkzeuge selbst. Zum Verkürzen der Einfahrphasen setzt PWS ein selbst entwickeltes Werkzeug-Probiergestell ein, auf dem erste Feinabstimmungen mit dem Originalwerkzeugen durchgeführt werden. Erst danach wird das Werkzeug mit Hilfe des stufenlos regulierbaren Servoantriebs auf der Presse eingefahren. Dabei werden alle relevanten Werkzeugeinstellungen und Parameter in der Steuerung gespeichert, sodass beim nächsten Rüsten dieses Werkzeugs alle Einstelldaten sofort zur Verfügung stehen. In Kombination mit dem Werkzeugwechselsystem lassen sich so Werkzeugwechsel und der Setup eines auf den Werkzeugwechselwagen vorgerüsteten Werkzeugs in rund einer Stunde erledigen.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit
Daniel Jud: „Ebu hat als Pressenhersteller zu uns gepasst. Beide Unternehmen haben ungefähr die gleiche Größe und ähnliche mittelständische Strukturen. Wir sind uns auf Augenhöhe begegnet und konnten partnerschaftlich verhandeln. Und Mittelständler in dieser Größe sind meist flexibler als Großunternehmen“, antwortet Daniel Jud auf die Frage, warum man sich für Ebu Umformtechnik entschieden habe. Dazu komme der Ersatzteilbestand, den die Bayreuther Pressenbauer vorhalten und die kurzen Wege − sowohl räumlich nach Bayreuth als auch hierarchisch bei der Entscheidungsfindung.
Insgesamt habe sich während des Projekts eine Partnerschaft entwickelt, ergänzt Harry Wölfel. „Wir haben teils auf Anraten von PWS kompetente weitere Partner in das Projekt einbezogen wie beispielsweise die Firma Röcher, wegen deren Kompetenz im Bereich der hydraulischen Ziehkissen, oder GPA für den Transfer und Hilma Röhmheld für das Spannsystem. „Das Gesamtprojekt war enorm“, betont Daniel Jud. Und das nicht nur wegen des neuen Fundaments und der langen Projektierung. Mehr oder weniger am selben Tag, an dem die Presseninstallation beginnen sollte, war im Dezember 2016 die komplette Fügetechnikhalle bei PWS niedergebrannt. Eine neue Fügetechnikhalle aufbauen, die Baugruppenmontage sicherstellen und neu aufbauen und dazu eine High-Tech-Presse in Betrieb nehmen: Das nennt man gemeinhin eine reife Leistung.
Volker Albrecht