Image
Die Vorteile von Online-Fertigern für Blechbearbeiter liegen klar auf der Hand: große Auswahl, erhöhte Versorgungssicherheit, Bestellung rund um die Uhr. Die tatsächliche Nutzung ist jedoch noch verhalten.
Foto: Laserhub
Die Vorteile von Online-Fertigern für Blechbearbeiter liegen klar auf der Hand: große Auswahl, erhöhte Versorgungssicherheit, Bestellung rund um die Uhr. Die tatsächliche Nutzung ist jedoch noch verhalten.

Management

Die (Markt-)Potenziale der digitalen Bauteilbeschaffung

Wie wird sich der Markt der B2B-Plattformen weiterentwickeln und wie werden sich die Modelle künftig verändern? Drei Geschäftsführer – drei Meinungen.

Onlineshopping für die Blechbearbeitungsbranche könnte in Zukunft Alltag sein – weg von der gewohnten Lohnfertigung, hin zur digitalen Bauteilbeschaffung bei Online-Fertigern. Die Vorteile für Blechbearbeiter liegen klar auf der Hand: große Auswahl, erhöhte Versorgungssicherheit, Bestellung rund um die Uhr. Noch ist der Marktanteil gering, aber die Auswahl an vielversprechenden Anbietern wächst und das Potenzial ist groß. BLECH hat drei bekannte deutsche Online-Fertiger um ihre Einschätzung gebeten.

„Das Konzept ist konventionellen Beschaffungsformen weit überlegen.“

Benjamin Schwab, Co-Founder und CMO bei Facturee:

„Der Markt ist weltweit Billionen Euro groß. Alle Online-Fertiger zusammen nehmen hier bisher einen winzigen Bruchteil ein. Noch ist die konventionelle Lohnfertigung federführend, doch das ändert sich rasant – beschleunigt durch die anhaltenden globalen Krisen. Online-Fertigung ist eindeutig das Beschaffungsmodell der Zukunft. Das Konzept, welches auf Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung basiert, ist konventionellen Beschaffungsformen weit überlegen. Online-Fertigung bietet Einkäufern Unabhängigkeit und Verlässlichkeit. Das ist in Krisenzeiten elementar. Ich verdeutliche es an unserem Beispiel: Wir verfügen über ein Produktionsnetzwerk von rund 2.000 Partnern aus nahezu allen Bereichen – darunter CNC-Bearbeitung, Blechbearbeitung, 3D-Druck und Oberflächentechnik. Damit bieten wir heute das breiteste Fertigungsspektrum im Markt. Bei sich verändernden Gegebenheiten im Markt können wir Fertigungskapazitäten einfach umverteilen. Wir sind daher immer lieferfähig. Die Lieferketten unserer Kunden werden somit sicher und resilient.

Ein weiterer Vorteil liegt in der Entlastung. Der Anfrageprozess ist bei uns teilautomatisiert und erfolgt somit mit schneller Angebotserstellung. Der Endkunde hat einen niedrigschwelligen Zugang. Er kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren.  Entscheidend ist auch der Preisvorteil der Online-Fertigung. Wir befinden uns in einer Rezessionsphase, die anzuhalten droht und nachhaltig für Veränderung sorgt. Auch die Materialpreise steigen weiter. Daher entwickeln Einkäufer eine gewisse Preissensibilität

Unser Fazit ist: Der Markt für die Online-Fertiger ist riesig. Es gibt aber große Unterschiede bei den Anbietern. Hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Um langfristig eine stabile Position im Markt einnehmen zu können, ist es wichtig, absolute Kundenorientierung umzusetzen. Wir waren gleich nach der Gründung gezwungen, unsere begrenzten Ressourcen effizient einzusetzen. Heute verzeichnen wir einen achtstelligen Umsatz – und zwar ohne Investoren. Dass wir konsequent auf die Kundenbedarfe ausgerichtet sind, liegt also in der Historie begründet und ist heute Teil unserer DNA. Das verschafft uns eine stabile Position im Markt.“

Der Online-Fertiger Facturee – eine 2017 ins Leben gerufene Marke der CWMK GmbH – ist auf die Beschaffung individueller Zeichnungsteile spezialisiert. Facturee verfügt über ein umfangreiches Produktionsnetzwerk aus den Bereichen CNC-Bearbeitung, Blechbearbeitung, 3D-Druck und Oberflächentechnik.

Image
„Um langfristig eine stabile Position im Markt einnehmen zu können, ist es wichtig, absolute Kundenorientierung umzusetzen“, so Benjamin Schwab, Co-Founder und CMO bei Facturee.
Foto: Facturee
„Um langfristig eine stabile Position im Markt einnehmen zu können, ist es wichtig, absolute Kundenorientierung umzusetzen“, so Benjamin Schwab, Co-Founder und CMO bei Facturee.

„Bei Mittelständlern fehlt es an Kapazität und Know-how für eine konsequente Digitalstrategie.“

Willi Ruopp, Co-Founder und CEO bei CNC24:

„Auf Fachtagungen und im medialen Diskurs hat das Thema Nearshoring und die Rückkehr der Fertigung nach Europa aufgrund von Supply Chain Problemen, Materialengpässen und internationaler Krisen an Bedeutung zugenommen. Auch unsere Umfrageergebnisse von November 2022, bei der wir 241 Mittelständler zum Stand des deutschen Fertigermarktes befragt haben, unterstreichen dies: 81,3 % der Unternehmen erwarten, dass die Fertigung verstärkt nach Europa zurückkehren wird. Die Realität zeichnet jedoch häufig ein anderes Bild. Denn wir sehen, dass unsere Kunden bei der Bauteilwahl noch immer maßgeblich vom Preis und freien Fertigungskapazitäten getrieben sind und dass das internationale Netzwerk einen entscheidenden Vorteil für die Bauteilbeschaffung spielt. Im gesamten Jahresverlauf 2022 haben unsere Kunden lediglich bei 20 % der Anfragen auf die Herstellung der Bauteile in Deutschland oder Europa bestanden. Bei 80 % der Anfragen haben Kunden dagegen eine weltweite Bauteilbeschaffung bevorzugt, um von Kosteneinsparungen aufgrund eines globalen Sourcings zu profitieren. Themen wie eine klimaneutrale Bauteilbeschaffung und verstärkt lokale Beschaffung haben es von der Vorstandsetage teilweise noch nicht in die Einkaufsabteilungen geschafft. Hier obsiegt häufig der wirtschaftliche Druck durch den internationalen Wettbewerb im Maschinen- und Anlagenbau. Um unseren Kunden die Bauteile liefern zu können, die ihren Wunschkriterien entsprechen, greifen wir auf ein globales Netzwerk mit sorgfältig ausgewählten Fertigern zurück. Über ein smartes, Machine Learning basiertes Matching finden wir für jedes angefragte Bauteil den passenden Lieferanten.

Auch in Sachen Digitalisierung ist erkennbar, dass Theorie und Praxis häufig nicht übereinstimmen. Zwar wird viel von Digitalisierung und Industrie 4.0 gesprochen, aber Digitalisierung im Mittelstand heißt überspitzt gesagt, dass der Einkaufsprozess per E-Mail abgewickelt wird. Unsere Umfrageergebnisse unterstreichen dies: Nur 66,4 % der befragten Unternehmen verwalten Lieferanten-Daten digital, 47,3 % verwenden digitale Beauftragungsprozesse, 22,8 % ein Vertragsmanagementsystem und lediglich 19,9 % der Lieferantensuchen erfolgen digitalisiert. Bei rund einem Viertel der Befragten ist bisher keiner dieser Prozesse digital. Als Herausforderung bei der Digitalisierung der Bauteilbeschaffung sehen die Befragten besonders den hohen Kosten- und Zeitaufwand für die Umstellung (50,2 %), gefolgt von Faktoren wie unzureichend geschulten Personal (44 %) und Fachkräftemangel (39,4 %). Bei Mittelständlern fehlt es an Kapazität und Know-how für eine konsequente Digitalstrategie. Hier bieten wir als Online-Marktplatz Unterstützung an, indem wir das Supply Chain Management fast komplett auslagern und ohne Mehrkosten komplett digital abbilden.“

CNC24, eine Marke der CNCTeile24 GmbH, ist eine digitale B2B-Beschaffungsplattform über die individuelle Präzisionsbauteile gesourced werden können. Zu den Fertigungsverfahren des 2019 gegründeten Online-Marktplatzes für den Maschinenbau zählen Drehen, Fräsen, Blechbearbeitung und additive Fertigung.

Image
„In Sachen Digitalisierung ist erkennbar, dass Theorie und Praxis häufig nicht übereinstimmen. Zwar wird viel von Digitalisierung und Industrie 4.0 gesprochen, aber Digitalisierung im Mittelstand heißt überspitzt gesagt, dass der Einkaufsprozess per E-Mail abgewickelt wird“, so Willi Ruopp, Co-Founder und CEO bei CNC24.
Foto: CNC24
„In Sachen Digitalisierung ist erkennbar, dass Theorie und Praxis häufig nicht übereinstimmen. Zwar wird viel von Digitalisierung und Industrie 4.0 gesprochen, aber Digitalisierung im Mittelstand heißt überspitzt gesagt, dass der Einkaufsprozess per E-Mail abgewickelt wird“, so Willi Ruopp, Co-Founder und CEO bei CNC24.

„Die klassische Lagerhaltung ist zu einem großen finanziellen Risiko geworden.“

Christoph Rößner, Co-Founder und CEO bei Laserhub:

„Ein bestimmender beziehungsweise kritischer Faktor der Teilefertigung werden die Materialkosten sein, die einerseits volatil sind und die andererseits perspektivisch weiter steigen werden. Um Preissteigerungen für die Einkäufer von Blechteilen weitestgehend zu vermeiden, muss die Antwort darauf eine weitere Steigerung der Ressourceneffizienz sein. Verschnitt wird zum No-Go. Zugleich wird Material immer weniger auf Lager gelegt. Die klassische Lagerhaltung im großen Stil ist durch schwankende Materialkosten zu einem großen finanziellen Risiko geworden, das aber mit neuen Strategien beherrschbar wird. Zugleich wird von den Kunden eine schnelle Lieferung durch die Fertiger erwartet. Folglich sehen wir einen zunehmenden Bedarf an einem großen virtuellen Lager, wie es Laserhub als Plattform vorhalten kann.

Diese Beobachtung gilt nicht nur für Bleche, sondern für den gesamten Stahlhandel, wo die Lagerbestände immer kleiner werden. Die Anpassung an den volatilen Markt bringt eine große Unruhe mit sich. In einigen Einkaufs- und Handelsabteilungen haben die Preisschwankungen schon dazu geführt, dass von kurzfristigem Trading statt von solider Beschaffung gesprochen wird. Um zu verhindern, dass diese Entwicklungen aus dem Ruder laufen, werden wir bei Laserhub an drei Stellschrauben ansetzen: Bündelung, Routing und Automatisierung. Konkret bedeutet das, dass wir zukünftig Aufträge verschiedener Kunden wenn möglich so bündeln werden, dass der Fertiger seine vorhandenen Ressourcen noch effizienter und mit weniger Verschnitt einsetzen kann. Davon profitieren Fertiger, Kunde und nicht zuletzt auch die Umwelt.

Wird 2023 das Jahr der B2B-Plattformen?

Die derzeit vielfältigen Herausforderungen verlangen nach neuen und auch flexiblen Lösungen. Können B2B-Technologie-Startups die Lücke füllen?
Artikel lesen

Außerdem haben wir weiter an unserem Algorithmus gearbeitet, um das Routing der Aufträge zu verbessern. Wir wollten dadurch Aspekte wie Kompetenz in der jeweiligen Fertigungstechnik, Verfügbarkeit von Material und auch Logistik noch besser in die Auftragsvergabe einfließen lassen. Auf diese Weise können die Aufträge des Kunden schneller und preislich attraktiver abgewickelt werden.

In Sachen Automatisierung haben wir vor allem eine schnellere Prüfung der Machbarkeit auf Aufträge ins Auge gefasst, wodurch der Kunde direkt Feedback erhält, ob sein Auftrag ausgeführt werden kann. Durch eine IT-basierte Vorabprüfung sanken beispielsweise auch die Anforderungen für die Fertiger, die dafür kein eigenes Fachpersonal mehr vorhalten mussten. Als letzten Punkt haben wir für Unternehmen die Planbarkeit auch in einem sehr dynamischen Marktumfeld gesteigert. Dazu erarbeiteten wir ein Konzept für intelligent gestaltete Kontrakte, sprich möglichst praktische Rahmenverträge, die aus statischen und flexiblen Elementen bestehen, um Agilität und Stabilität unter einen Hut zu bringen.“

Die Laserhub GmbH ist ein 2017 gegründetes B2B-Start-up aus Stuttgart, das eine vertikal integrierte, herstellerübergreifende Beschaffungsplattform für individuelle Metallteile entwickelt hat. Die Laserhub-Plattform deckt dabei Aufträge für die Bereiche Laserschneiden, Biegen, Rohrlaserschneiden und CNC-Drehen ab.

Image
„Die Anpassung an den volatilen Markt bringt eine große Unruhe mit sich. In einigen Einkaufs- und Handelsabteilungen haben die Preisschwankungen schon dazu geführt, dass von kurzfristigem Trading statt von solider Beschaffung gesprochen wird“, meint Christoph Rößner, Co-Founder und CEO bei Laserhub.
Foto: Laserhub
„Die Anpassung an den volatilen Markt bringt eine große Unruhe mit sich. In einigen Einkaufs- und Handelsabteilungen haben die Preisschwankungen schon dazu geführt, dass von kurzfristigem Trading statt von solider Beschaffung gesprochen wird“, meint Christoph Rößner, Co-Founder und CEO bei Laserhub.
Image
studie_online_fertigung.jpeg

Märkte

Digital-Studie sieht Nachfrageplus bei Online-Fertigung

Digital hat Potenzial: Eine Studie der Uni Würzburg und HTWK Leipzig bescheinigt dem noch relativ jungen Bereich der Online-Fertigung gute Aussichten.

    • Märkte, Strategie
Image
Gerade in bergigem Gelände muss der Akku des E-Mountainbikes „E-Riot“ von Ghost-Bikes fest fixiert sein.

Strategie

Fester Halt für wahre Energiebündel

Online-Fertiger Facturee liefert Bauteile zur Akku-Befestigung für E-Mountainbikes. Die kurzen Beschaffungszeiten waren gerade im Hinblick auf das Prototyping ein wichtiges Argument.

    • Strategie, Märkte, News
Image
Die B2B-Fertigungsplatt­form von Facturee ist prädestiniert für die internationale Nutzung. Jetzt können auch Kunden aus Italien das Online-Angebot nutzen.

Strategie

Warum der Online-Fertiger Facturee auf Italien setzt

Die Berliner Firma Facturee weitet ihr Angebot im Bereich der Online-Fertigung auf immer mehr Länder aus. Ganz aktuell rückt Italien stärker in den Fokus.

    • Strategie, Märkte, Unternehmen
Image
Das rote BSFZ-Siegel steht für eigenbetrieblich durchgeführte FuE-Vorhaben und gilt als Beleg für die innerbetriebliche FuE-Leistung.

News

BSFZ-Siegel für selbstentwickeltes ERP-System

Der Online-Fertiger Facturee hat eine eigene ERP-Software entwickelt, die sich durch ihre Skalierbarkeit und hohe Verfügbarkeit auszeichnet.

    • News, Unternehmen