Image
Die Freiformbiegemaschine NSB 090-S der Firma Neu ist mit einer Mitsubishi Electric Steuerung ausgestattet.
Foto: utg
Die Freiformbiegemaschine NSB 090-S der Firma Neu ist mit einer Mitsubishi Electric Steuerung ausgestattet.

Umformtechnik

Biegetechnik für neue Materialien

Die TUM stellt sich dem Problem, wie neue Materialien am besten gebogen werden können – mit einer leistungsstarken Freiformbiegemaschine und dem IoT-Steuerungsmodul DAU.

Am Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen der Technischen Universität München (TUM) von Prof. Dr.-Ing Wolfram Volk wird derzeit an Projekten geforscht, die für die Umformtechnik, genauer die Biegetechnik, entscheidende Weiterentwicklungen bringen könnten. Die Doktoranden Lorenzo Scandola M.Sc., Matthias Werner, M.Sc. und Daniel Maier, M.Sc. untersuchen in eigenständigen Forschungsprogrammen jeweils Teilaspekte des Biegeprozesses. „Know-how entsteht am Lehrstuhl auch durch solche Projekte“, sagt Matthias Werner. „Wir bewegen uns mit unseren Projekten im Bereich der angewandten Forschung, die direkt der Industrie zu Gute kommt und den Hauptzweck hat, neues Wissen in einem speziellen Wissensgebiet zu generieren, das ein spezielles technisches Problem lösen hilft.“ Lorenzo Scandola ergänzt: „Konkret erhoffen wir uns Erkenntnisse darüber, wie neue Materialien gebogen werden können, die bisher aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften nicht oder nur schwer gebogen werden konnten, wie neuartige Kunststoffe oder Verbundwerkstoffe. Ansonsten bliebe wie bisher die Trial-and-Error-Methode, die zeit- und kostenintensiv ist.“

Image
Matthias Werner, Daniel Maier und Lorenzo Scandola forschen für ihre Dissertationen zum Thema Freiformbiegen.
Foto: utg
Matthias Werner, Daniel Maier und Lorenzo Scandola forschen für ihre Dissertationen zum Thema Freiformbiegen.

Neu Maschinenbau und Mitsubishi Electric wirken mit

Unweit des TUM-Campus’ in Garching bei München liegt die Versuchswerkstätte, in der diverse Maschinen für praxisbezogene Tests zur Verfügung stehen, seit 2019 auch eine Freiformbiegemaschine der Firma Neu. Die J. Neu GmbH Maschinenbau & Handel ist Hersteller von Biegemaschinen, Langbettfräsmaschinen und Sägetechnik und beliefert unter anderem Unternehmen in der Automobil- und allgemeinen Fahrzeugindustrie, der Kälte- und Heiztechnik, der Möbelindustrie, im Maschinen- und Apparatebau, im Stahl- und Metallbau. Das Unternehmen hatte auf eine Anfrage der TUM positiv reagiert und die 6-Achs-Freiformbiegemaschine TYP NSB 090-S für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung gestellt. Die Maschine mit hoher Biegeleistung und einer unbegrenzten Biegerichtung (360°) wurde für das Biegen von Rohren und Profilen aus Stahl, Edelstahl, Aluminium und anderen Materialien mit Durchmesser 6 bis 90 mm konzipiert. Sie verfügt über 6 steuerbare Achsen und eine vollsynchronisierte CNC-Steuerung von Mitsubishi Electric.

Biegetechnik um ein ganzes Stück voranbringen

Das Interesse von Professor Dr.-Ing. Wolfram Volk an der Freiformbiegetechnologie kam für die Neu GmbH unerwartet, aber nicht unerwünscht. Im Gegenteil. „Wir sind selber sehr innovativ“ sagt Lothar Kummermehr, Projektleiter bei Neu, und ganz im Thema, wenn es um Freiformbiegen geht. „Wir glauben aber, dass die TUM parallel zu unseren eigenen Forschungen neue Ansätze finden kann und die Biegetechnik dadurch ein ganzes Stück voranbringen könnte. Wir sind jedenfalls gespannt auf die Ergebnisse der Untersuchungen.“ Und er fügt hinzu: „Eine gute Referenz ist das Projekt mit der TUM für uns allemal. Und die Zusammenarbeit mit Professor Volk ist sehr angenehm.“ Bei Daniel Maiers Thema „Eigenschaftsgeregelte Prozessgestaltung des Freiformbiegens unter Berücksichtigung der Halbzeugeigenschaften“ geht es um die Implementierung einer Softsensor-basierten Regelstruktur, die Schwankungen in den mechanischen Eigenschaften der Halbzeuge misst und im Umformprozess darauf reagiert. Es geht im Wesentlichen darum, Abweichungen, die aufgrund von Materialschwankungen entstehen, durch Inline-Mess- und Regeltechnik zu kompensieren. Bisher ist eine solche Regelung nicht möglich. Durch Kooperationen mit der Regelungstechnik und Mitsubishi Electric soll sich das ändern.

Image
Schematische Darstellung des Gesamtkonzepts der Regelstruktur mit der DAU von Mitsubishi Electric als zentrale Einheit
Foto: Daniel Maier
Schematische Darstellung des Gesamtkonzepts der Regelstruktur mit der DAU von Mitsubishi Electric als zentrale Einheit

Reaktion in Echtzeit gefragt

Es stellte sich schnell heraus, dass die gewünschte Prozessregelung mit der im Standard an der Maschine installierten Steuerungsgeneration nicht machbar war. Diese verfügt bis dato nicht über die Möglichkeit, in Echtzeit in den Prozess einzugreifen. „Wir haben Anfang 2020 bei Mitsubishi Electric um Unterstützung für diesen Prozess gebeten“, sagt Daniel Maier. „Und es stellte sich heraus, dass dort gerade an einer solchen Einheit gearbeitet wurde, die man für die Regelstruktur verwenden kann.“ Den Kontakt zu den Softwareentwicklern in der Zentrale in Ratingen stellte Vertriebsingenieurin Claudia Wonneberg her, die in der Mitsubishi Electric Vertriebsniederlassung Süddeutschland tätig ist. Mitsubishi Electric gehört seit langem zu den Großen in der Riege der CNC-Hersteller weltweit. Das Produktprogramm umfasst CNC-Steuerungen, Antriebseinheiten, Servomotoren, Spindelmotoren, Softwaretools sowie Lösungen im Bereich der industriellen Automation von Industrierobotern über SPS bis hin zu kompletten EDM-Systemen. Bei Mitsubishi Electric wusste man sofort, dass das neu entwickelte Data Acquisition Unit-Modul, kurz DAU, für das TUM-Projekt ideal geeignet wäre. Der angefragte Einsatzfall war für Christoph Krekels, Spezialist für CNC-Applikationen bei Mitsubishi Electric, sehr interessant: „Das ist ein hochkomplexes Thema und wir sehen uns hier definitiv als Vorreiter. Wir haben die DAU entwickelt, weil wir langfristig einen Bedarf dafür gesehen haben.“

Flexibler biegen

Die Schröder Group präsentiert ihr breites Portfolio an Blechbearbeitungsmaschinen auf der Euro Blech in Hannover. Highlights sind die Innovation des vollautomatischen Biegewangen-Werkzeugwechslers am Biegezentrum EVO Center und die Vorstellung der Power Bend Multi.
Artikel lesen

Erfassung der notwendigen Daten

1 ½ Monate dauerte es, die DAU in der Biegemaschine zu implementieren und in den Regelkreis aufnehmen. Das definierte Ziel ist, Positionsdaten in Echtzeit auszulesen und zu verarbeiten und daraus neue Prozessanforderungen zu erstellen. „Eine Optimierung durch Feedback und eine adaptive Kontrolle wären ein echter Mehrwert für das Freiformbiegen“, sagt Daniel Maier. „Auch andere Branchen können die Neuentwicklung nachher für sich nutzbar machen.“ Die DAU kann verschiedene Antriebsdaten (Position, Geschwindigkeit, Last und mehr), externe Sensordaten und RIO (Remote Input/Output) mit hoher Geschwindigkeit und garantierter Zeitsynchronisation zwischen den Daten abtasten, erfassen und sammeln. Die gesammelten Daten können zum Beispiel zur Überwachung des Maschinenbetriebs, zur Diagnose der Bearbeitung oder zur vorbeugenden Wartung genutzt werden.

Analyse des Materialverhaltens während des Biegevorgangs

„Die TUM forscht daran, den Biegeprozess mit Hilfe von externen Sensoren zu optimieren, die das Materialverhalten der Werkstücke während des Biegevorgangs analysieren“, erläutert Christoph Krekels. Die DAU bietet hier den Vorteil, dass alle Daten permanent synchronisiert werden. Besonders wichtig ist dabei die Synchronisation der Positionsdaten mit den Sensordaten, um einen genauen Bereich am Rohr identifizieren zu können, der untersucht werden soll. Ist dort zum Beispiel das Material nach der Biegung zu „dünn“ muss der Prozess optimiert werden.“ Auch ein Reagieren auf Chargenschwankungen soll dann möglich sein. Ziel ist es, die Produktion fehlerhafter oder qualitativ schlechter Werkstücke in der Serie zu reduzieren und damit die Produktivität der Maschine zu verbessern. Die DAU kann auch zur Werkzeugüberwachung in einem Bearbeitungsprozess eingesetzt werden. Wenn ein Werkzeug das Werkstück berührt beziehungsweise bearbeitet, entstehen Vibrationen. Diese werden über angeschlossene Sensoren (zum Beispiel Beschleunigungssensor) am analogen Eingang (AI Input der DAU) erfasst. Anomalien können detektiert werden, die den Verschleiß des Werkzeugs beurteilen. Somit kann das Werkzeug rechtzeitig gewechselt werden, um die Qualität der Bearbeitung des Werkstücks zu garantieren.

Image
Das DAU-Modul wird im Schaltschrank der Maschine implementiert.
Foto: Mitsubishi Electric
Das DAU-Modul wird im Schaltschrank der Maschine implementiert.

So geht es weiter

„Die neuen Interfaces sind eine Sensation“ sagt Daniel Maier. „Auch wenn das Projekt noch ganz am Anfang steht, können wir doch schon sagen, dass die ersten Ergebnisse sehr vielversprechend sind.“ Bis Ende 2023 soll die zweite Phase des Projekts beendet sein. Dann muss der Regelkreis laufen, wenn auch noch nicht in Echtzeit. Die dritte Phase, die Überführung der Theorie in die industrielle Praxis, soll bis 2025 abgeschlossen sein. Die Projektbeteiligten sind zuversichtlich, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Dass die Zusammenarbeit gewinnbringend für alle Beteiligten sein wird, darin ist man sich schon heute einig.

Image
freiformbiegen_rohre_profile.jpeg

Rohrbearbeitung

Freiformbiegen mit sechs simultan gesteuerten Achsen

Nahtlose Geometrien verspricht Jörg Neu mit Maschinen zum Freiformbiegen. Elementarer Bestandteil für die sechs Achsen: CNC-Steuerungen von Mitsubishi .

    • Rohrbearbeitung, Rohrbiegen, IT-Lösungen, Steuerungstechnik
Image
Am 8. November feierte Mitsubishi Electric die Erweiterung seines Ratinger Servicezentrums um Mitsubishi Electric Roboter.

Unternehmen

Wenn Roboter und Steuerungen ineinander greifen

Mitsubishi Electric bündelt seinen Service für CNC-Steuerungen und Roboter in Ratingen. Kunden profitieren dadurch von verschiedenen Effekten.

    • Unternehmen
Image
Yavuz Murtezaoglu, Gründer und Geschäftsführer von Module Works (links), und Yoshihiro Oniuda, Senior Manager der DX Promotion Project Group bei Mitsubishi Electric (rechts), vereinbaren die Partnerschaft in der Module Works-Zentrale in Aachen.

News

Stärkung der Softwareentwicklung

Mitsubishi Electric und Module Works gehen Partnerschaft im Bereich Softwareentwicklung für Maschinenwerkzeuge zum Ausbau des Circular Digital-Engineering-Geschäfts ein.

    • News, Unternehmen
Image
Die Grafik zeigt, wie die Kooperation künftig aufgebaut sein soll.

Unternehmen

Kooperation für erweiterte OT-Sicherheitslösungen

Mitsubishi Electric und TXOne Networks gehen eine langfristige Zusammenarbeit ein, um ihr Geschäft im Bereich der Operational Technology (OT) Sicherheit zu erweitern.

    • Unternehmen, News