Lange Zeit war Lagerhaltung fast schon verpönt und wurde auch als nicht mehr zeitgemäß eingestuft. Die letzten Jahre zeigten allerdings auch die Schattenseiten der Globalisierung und die Fragilität der Lieferketten deutlich auf. Es überrascht also nicht, dass viele blechverarbeitenden Betriebe wieder zurück zu einer umfangreicheren Lagerhaltung kehren, um sich unabhängiger von Lieferketten zu machen und flexibler auf Kundennachfragen reagieren zu können. Das Problem dabei ist allerdings, dass die Fertigungsumgebungen oft nicht für so einen Strategiewandel ausgerichtet sind, sei es mangels Platz oder erschwerte Prozessabläufe, da sich in der Fertigung nun oftmals andere Bedingungen vorherrschen, mit denen nicht geplant wurde. Dazu kommt der sich immer stärker auswirkende Fachkräftemangel.
Potenzial der Peripherie nutzen
In Zeiten, in denen die Produktionsanlagen weitestgehend ausgereizt sind, liegen die größten Potenziale für eine wirtschaftlichere Fertigung in der Peripherie. Stephan Remmert, Geschäftsführer der Remmert GmbH &Co. KG, kennt die Problematik genau: „Die Lieferkettenproblematik betrifft uns alle. Anlagenhersteller wie auch Teileproduzenten. Zudem liegt ein enormer Kostendruck auf den fertigenden Unternehmen. Die Lösung kann daher nur eine stärkere Automatisierung und Vernetzung der Intralogistik sein.“ Auf über 75 Jahre Erfahrung blicken die Spezialisten für die Lagerung, Automation und Intralogistik für Langgut und Bleche zurück. Gemeinsam mit Bruder Matthias führt Stephan Remmert das Familienunternehmen nun in der dritten Generation und beschäftigt mittlerweile rund 160 Mitarbeiter. „Gerade was die Lieferkettenproblematik angeht, haben viele Unternehmen gelernt, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wir bei Remmert sehen unsere Lieferanten wie auch unserer Kunden als Partner und haben gemeinsam mit diesen in schwierigen Fällen eine für alle Seiten akzeptable Lösung erarbeitet. Damit sind wir bisher sehr gut gefahren“, blickt Stephan Remmert noch einmal auf die jüngste Vergangenheit zurück.
Historisch gewachsene Fertigung
Um aber die optimalen Automatisierungslösungen anbieten zu können, ist von Spezialisten wie Remmert eine große Flexibilität gefordert. „Die meisten Fertigungen sind mit historisch gewachsen. Auch wenn in vielen Unternehmen bezüglich Lagerhaltung und Automatisierung ein Umdenken einsetzt, lässt sich die Fertigung meist nicht komplett umplanen. Hier gilt es dann aus den vorhandenen Gegebenheiten das Optimum herauszuholen. Genau das ist unser Tagesgeschäft“, erklärt Stephan Remmert. Hierzu bietet das Unternehmen ein umfangreiches Portfolio an Lösungen. Im Blech-Bereich etwa verschiedene Turmlager, je nach benötigter Größe, Regalbediengeräte, Pufferlager, Be- und Entladesysteme, Schnellwechselsysteme, Transferstationen oder auch ein FTS (Fahrerloses Transportsystem). Auch spezifische Sonderlösungen werden realisiert.
Vorhandene Automation bedarfsgerecht anpassen
Remmert verfolgt einen ganzheitlichen Intralogistik-Ansatz, vom Wareneingang über Großlager, innerbetrieblicher Transport, Zwischenlager bis zur Integration einzelner Anlagen oder Fertigungsinseln und verschiedenen Fertigungstechnologien und setzten dabei auf eine Modulbauweise. „Unsere Kunden können sich je nach Bedarf einzelne Module herausgreifen. Diese sind immer mit eigener Intelligenz ausgestattet. Das ermöglicht es, unsere Anlagen herstellerunabhängig in das vorhandene System zu integrieren. Diese sind so jederzeit erweiterbar oder auch veränderbar. Und das ist wichtig, denn unsere Lager- und Automationstechnik hat im Regelfall eine deutlich längere Lebensdauer als die eingesetzte Fertigungstechnik. Auch das Produktspektrum in Unternehmen verändert sich häufiger. Durch unser System sind die Kunden in der Lage, die vorhandene Automation immer wieder bedarfsgerecht anzupassen, ohne in eine komplett neue Automation investieren zu müssen“, erklärt Stephan Remmert seine Philosophie. So kann Remmert auf die vorhandene Struktur optimal reagieren, eigene Lösungen integrieren oder eben vorhandene Systeme schnell und einfach in das Intralogistikkonzept integrieren. „Oftmals wird bei der Verkettung nur auf geringen Platzbedarf geachtet und es werden einzelne Fertigungsinseln installiert. Entscheidens ist aber, verschiedene Insellösungen miteinander zu verketten um einen optimalen Automatisierungsgrad zu erreichen. Genau da setzten wir an“, fährt Stephan Remmert fort. Dabei weichen die Spezialisten auch gerne einmal von herkömmlichen Herangehensweisen ab.
Flaschenhals Absortierung
Ein gutes Beispiel für das Potenzial das noch in der Automatisierung liegt ist zum Beispiel das Absortieren der Bauteile, etwa nach dem Laserschneiden. Auch hier gehen sie einen nicht ganz üblichen, aber sehr interessanten Weg. Erst auf der Euroblech 2022 hat Remmert neue Verbesserungen für seinen Palettier-Roboter Sort Flex vorgestellt. „Das Absortieren ist kein triviales Thema, denn wie leicht Teile absortierbar sind, wird von vielen verschiedenen Faktoren im Prozess bestimmt“, erklärt Stephan Remmert. Viele Maschinenhersteller haben zu ihren Anlagen eigene Absortiersysteme entwickelt, die auf Wunsch alle von Remmert in die Automatisierungslösungen mit eingebunden werden. Remmert verfolgt mit seiner eigenen Absortier-Lösung allerdings einen eigenen Ansatz. „Entscheidend ist für uns, dass die Schneidanlagen laufen und keine Stillstandszeiten für die Anlagen durch das Absortieren entstehen. Daher sortieren wir nicht direkt am Wechseltisch der Maschine ab.“, erklärt Stephan Remmert. Von der Maschine werden die Bleche also erst zum Absortierplatz transportiert. „Wir können rund 90 Prozent des typischen Teilespektrums problemlos automatisiert absortieren. Die Frage ist aber, was macht man mit dem Rest?
Maschinenstillstand vermeiden
Würde man nun direkt an der Anlage manuell agieren, kann es sein, dass die Schneidanlage warten muss. Gerade beim Absortieren ist das ein heikles Thema, gibt es doch bisher kaum ein System, das hier eine 100 %-Quote zuverlässig garantieren kann. Unser System erlaubt es uns, durch die Entkopplung von der Schneidanlage diesen Stillstand zu vermeiden. Zudem sind wir in der Lage Schneidpläne verschiedener Hersteller einzulesen. Unsere Software meldet dem Bediener bereits vor der Absortierung, welche Teile nicht sortiert werden können und wo sie liegen. So können diese dann unabhängig vom automatisierten Gesamtprozess je nach Bedarf und Kapazitätsplanung entnommen werden“, skizziert Stephan Remmert den Ablauf. Das hat den Vorteil, dass Einzelteile, die beim Sortieren Probleme bereiten, nicht den automatisierten Gesamtprozess stoppen.
Große FTS-Lösung
Um aber optimal auf die Fertigungsumgebung reagieren zu können, ist der Transport zwischen den verschiedenen Fertigungsstationen ein wesentliches Thema. Da bietet sich in einer automatisierten Fertigung natürlich ein FTS an. Auch hier gilt: „Wir binden natürlich vorhandene Transportsysteme ein oder setzen bei Bedarf auch ein Standard-FTS-Lösung ein. Das ist aber nicht immer die Optimallösung. Daher haben wir ein eigenes FTS entwickelt, dass gerade für den Transport von schweren und sperrigen Gütern sehr gut geeignet ist“, erzählt Stephan Remmert. Das Remmert FTS verfügt über eine ungewöhnlich große Transportplattform von 3.000 x 1.200 mm und eine Nutzlast von 3 t. So ist es ideal für den Transport von Blechen geeignet. Um auch in beengten Fertigungsumgebungen optimal operieren zu können setzte Remmert dabei auf eine omnidirektionale Lösung. Das FTS ist also in der Lage längs, quer oder diagonal zu verfahren und kann sich auf der Stelle drehen. So werden platzaufwendige Kurvenfahrten vermieden und auch das Anfahren von Übergabestationen wird problemlos möglich. Der Einsatz solch eines FTS ersetzt den Einsatz von Gabelstaplern und starrer Fördereinrichtungen. Zum Lastenhandling lässt sich das FTS laut Remmert mit verschiedenen Aufbauten wie Rollbahn, Ziehtechnik oder einen Scherenhubtisch ausstatten. Die Navigation findet über Sensoren statt, sodass keine aufwendigen Führungshilfsmittel erforderlich sind. Die Remmert FTS sind vollständig in das hauseigene Smart-Control-System integriert. So verspricht Remmert ein intelligentes Flottenmanagement. „Mit unserem FTS können wir die kompletten Fertigungsschritte bedienen. Wir entkoppeln hier mit Zwischenpuffern die einzelnen Prozesse und sind so in der Lage durch den automatisierten Transport, einen vollautomatisierten Gesamtprozess zu realisieren“, fasst Stephan Remmert zusammen.
Intuitive Prozesssteuerung
Gesteuert werden die ganzen Prozesse über die hauseigene Softwarelösung, in die auch die Steuerungssoftware des FTS integriert ist. Stephan Remmert: „Genauso nachvollziehbar wie die Prozesse selbst, muss auch die Prozesssteuerung sein. Da haben wir schon vor einigen Jahren angefangen, Software anders zu entwickeln und da viel Wert auf das Human Interface gelegt, da die Prozesse intuitiv steuerbar sein müssen. Das steht für uns an erster Stelle und daran arbeiten wir auch weiter intensiv. Für unsere Kunden ist gerade die intuitive Bedienbarkeit ein wesentliches Kriterium bei der Entscheidung für unsere Produkte.“