Image
Foto: OTC Daihen Europe

Fügen + Verbinden

3D-Druck im Metallbau: Schneller aus Draht!

An der Herstellung dreidimensionaler metallischer Bauteile sind zunehmend Lichtbogenschweißverfahren wie das Synchro Feed-System von OTC beteiligt.

Weite Teile der Industrie setzen längst auf digital gesteuerte Fertigungslösungen, die für die Massenproduktion nicht mehr wegzudenken sind. Unabhängig von der gewünschten Losgröße werden die meisten geometrischen Konstruktionen heute mit CAD-Systemen erstellt, die die Führung in der industriellen Produktion übernommen haben und die in allen Fertigungsbetrieben zu finden sind. Die Metallindustrie setzt mit Hilfe der CAD-Systeme überwiegend auf subtraktive Fertigungsprozesse wie das Fräsen und Drehen, bei denen mit bis zu 90 % Materialabfall zu rechnen ist.

Wie sieht es mit den Möglichkeiten der additiven Fertigung aus, die nur so viel Material in die Produktion einbringen, wie sie auch benötigen? Wir kennen bereits den Vorsprung von 3D-Druckern in der Kunststoffproduktion, wo sie mit abwechslungsreichen Formen beeindrucken. Wechselt man die Perspektive, stellt man fest, dass im Vergleich dazu die Auswahl an technischen Möglichkeiten im Metallsektor eher übersichtlich ausfällt.

Filigran aus der Laserschmelze

Bei den additiven Fertigungsverfahren im Metallsektor setzt man seit geraumer Zeit auf das selektive Lasersintern (SLS) beziehungsweise das Laser- oder Elektronenstrahlschmelzen. Ausgangsmaterial für diese Prozesse sind Metallpulver, die zunächst über den Laser- oder Elektronenstrahl partiell in einen flüssigen Zustand gebracht werden, um dann anschließend abzukühlen und dabei zu „verbacken“. Die Herstellung der gewünschten Bauteile erfolgt schichtweise und kann mit der Qualität von herkömmlich gegossenen Bauteilen durchaus mithalten.

Diese Verfahren eignen sich überwiegend zur Herstellung filigraner wie auch formatbegrenzter Werkstücke. Dabei gilt es zu beachten, dass pulverbettbasierte Verfahren, die zugegebenermaßen beeindruckende Ergebnisse liefern, nicht unbedingt als im Wortsinn „rapide“ Technologien zu verstehen sind. Der Aufbau komplizierter Teile kann durchaus Tage dauern. Die Materialausnutzung liege durchschnittlich bei maximal 70 %, heißt es. Hinzu kommt, dass der Energieeintrag beim Laserauftragschweißen beziehungsweise beim Lasersintern gegenüber dem 3D-Metalldruck im Lichtbogenschweißverfahren höher ist, was in der Regel auch zu Einschränkungen bei der Verwendung unterschiedlicher Werkstoffe führt. Manche dieser Prozesse scheitern mitunter an der dafür notwendigen Kühlung.

Nicht ohne Grund gibt es mittlerweile Software-Simulationen für das pulverbettbasierte Laserstrahlschmelzen, um den Aufbauprozess virtuell vorwegzunehmen. Auf diese Weise will man rechtzeitig Kenntnis über potentielle Störungen wie Rissbildungen oder Instabilitäten erlangen. Hinter solchen Simulationslösungen steht die Absicht, Zeit und Kosten zu sparen: Der schichtweise Aufbau eines Bauteils dauert über das Laserstrahlschmelzen recht lange. Fehlerhafte Prototypen kann sich nicht jeder Produzent leisten.

Dreidimensionale Bauteile aus pulverförmigen Ausgangswerkstoffen benötigen zudem Bauplattformen oder Supportstrukturen, um unerwünschte Verformungen zu vermeiden. Eine reproduzierbare Ableitung der über den Laser eingebrachten Hitze ist in der Regel auch nur über solche tragenden Bauteile möglich. Diese müssen nach Fertigstellung zunächst mechanisch vom neuen Werkstück getrennt beziehungsweise entfernt werden. Anschließend folgt die spanende Nachbearbeitung der Oberfläche.

Neues additives Verfahren im Schichtbetrieb

Die Palette der additiven Formgebungsprozesse für Metallbereich wurde nun um das 3D-Lichtbogenschweißen erweitert: Die OTC Daihen Europe GmbH aus Mönchengladbach hat sich dabei das selbstentwickelte SynchroFeed-Verfahren zunutze gemacht, um – wie beim Schweißen üblich – durch das Abschmelzen eines Werkstoffes zunächst eine Trägerfläche aufzubringen und sie anschließend Schicht für Schicht weiter aufzubauen. Wie auch bei allen anderen Prozessen entsteht über eine 3D-Software daraus am Ende ein physischer Körper. SynchroFeed ist ein spritzerfreies Schweißverfahren von OTC Daihen, das sich nach Unternehmensangaben durch erhöhte Abschmelzleistung bei reduzierter Wärmeeinbringung auszeichnet.

Das Verfahren ist für die präzise Steuerung des Lichtbogens sowie das Abschmelzen des Materials verantwortlich. Bei zu hohen Temperaturen würde der Werkstoff einfach abfließen, bei zu niedriger Temperatur käme keine metallurgische Verbindung zwischen aufgebrachter und darunterliegender Lage zustande. Bei der Lichtbogen-Schweißkonstruktion kommt es also auf die optimale Wärmeeinbringung nach Maßgabe des dafür verwendeten Werkstoffs an.

Bereits auf der Messe Schweissen & Schneiden 2018 wurde erfolgreich demonstriert, dass dieser Prozess mit Aluminium unterbrechungsfrei zum gewünschten Ergebnis führt. Bei der Fertigung größerer 3D-Objekte muss lediglich die Kühlung an die jeweils aufgebrachte Lage angepasst werden.

Große Werkstücke sind Formsache

Bei besonders festen Materialien wie Stahl kommt es darauf an, mehr Energie in den Prozess einzubringen, diese aber auch rechtzeitig wieder auszuleiten. Dabei darf das Material unter keinen Umständen „überlaufen“, da es sonst zu schädlichen metallurgischen Einflüssen oder Verbindungen käme. Die besondere Herausforderung besteht also darin, das Material nach Maßgabe einer entsprechenden Temperaturkurve rechtzeitig abzukühlen. Insbesondere 3D-Schweißkonstruktionen aus Edelstahl müssen sich dieser Notwendigkeit stellen.

3D-Druckerzeugnisse über das Lichtbogenschweißen bieten ähnliche Freiheiten in der Konstruktion wie das Laserauftragsschweißen und das Lasersintern – einschließlich sämtlicher Vorzüge der Materialeinsparungen, die additive Fertigungsprozesse generell zu bieten haben.

Entscheidend ist jedoch die Schnelligkeit, mit der Werkstücke entstehen. Über das robotergestützte SynchroFeed-Schweißverfahren von OTC lassen sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 cm/min bereits neue Aluminiumbauteile modellieren. Solche hohen Aufbauraten der Schichten können pulverbettbasierte Verfahren nach aktuellem Stand der Technik nicht erzielen.

Hohe Aufbauraten und große Arbeitsfläche

Was die Endformate der Werkstücke angeht: Der Arbeitsbereich eines Roboters bei OTC liegt bei etwa 2 m2, um größere Bauteile zu fertigen. Ist die Reichweite des eingesetzten Roboters sogar noch höher, sind dem Format der neuen 3D-Konstruktionen praktisch keine Grenzen gesetzt. Neben der Geschwindigkeit im Herstellungsprozess ist das ein weiterer Pluspunkt für die additive Fertigung mit Hilfe des SynchroFeed-Schweißverfahrens.

In einzelnen Industriebereichen wie der Luftfahrtindustrie, in denen es nicht auf große Stückzahlen ankommt, sieht OTC für den Lichtbogen-Schweißprozess interessante Herausforderungen. Ein größerer Anwenderkreis für den 3D-Metalldruck dürfte jedoch der Berufszweig der Metallbauer sein, der kleine Serien von Geländern, Fassungen, Rahmen und Profilen auflegt und der sich gerne bestimmte Freiräume in seinem Angebotsspektrum offenhält. Metallbaubetriebe, die ausgefallene Treppengeländer oder Formen produzieren möchten, dürften mit SynchroFeed und der Möglichkeit des 3D-Druckens wirtschaftlich gut aufgestellt sein. Besonders dann, wenn ein ausgefallener Prototyp nach einem Qualitätscheck in kleiner Auflage in Serie gehen soll.

Ergänzung zur Spritzgusstechnik

In der Großserienfertigung hat nach wie vor die Spritzgusstechnik die Nase vorn. Wer in die Massenproduktion einsteigt, kalkuliert auch von vornherein mit einer deutlich höheren Gewinnschwelle. Ansätze einer sinnvollen Arbeitsteilung gibt es jedoch auch bei solchen Fertigungsprozessen, wie beispielsweise in der Automobilindustrie bei der Herstellung von Lkw-Kühlern: Eine über die Gusstechnik vorgefertigte Massenauflage von Kühlnetzabschlüssen ließe sich komplementär um individuelle Anschlussstutzen ergänzen, die über den 3D-Druck via Lichtbogen gefertigt würden. Diese Anbauten ließen sich auch direkt mit den Kühlern verbinden, was eine zusätzliche Arbeitserleichterung darstellen würde. Eine weitere Möglichkeit bestünde im Aufpanzern eines Grundkörpers aus der Massenproduktion mit einem Härtematerial. Hier ließen sich gezielt Konturen oder Formen auf dieses Objekt aufbringen, die dann später nicht abgeschliffen werden müssen.

Synchronisation von Schweißstrom und Drahtzufuhr

SynchroFeed bringt durch einen hochdynamischen Regelprozess den Schweißdraht bei reduzierter Wärmeeinbringung auf und ist dadurch in der Lage, verformungs- und spritzerfrei zu arbeiten. Nachbearbeitungsprozesse wie das Fräsen sind nach dem Schichtauftrag entbehrlich. Im Vergleich von Schweißungen mit unterschiedlichen Lichtbögen erweist sich SynchroFeed als spritzerärmstes Verfahren und ist deshalb für den 3D-Druck besonders geeignet. In der Grundausstattung benötigt man ein SynchroFeed-Schweißrobotersystem mit OTC-Roboter (FD-B6), Schweißstromquelle (OTC Welbee P500L), Push-Feeder-Einheit, Drahtpuffer, Hochleistungswechselhalsbrenner, Robotersteuerung, Arbeitstisch und die notwendige Sicherheitstechnik. Die Anschaffungskosten für die notwendige Ausrüstung des lasergestützten Auftragsschweißens oder des Lasersinterns sind nach Angaben von OTC deutlich höher als für das 3D-Lichtbogenschweißsystem SynchroFeed.

Wirtschaftlichkeit und Prognosen

Die Experten bei OTC Daihen gehen davon aus, dass ein Großteil industrieller Formen zukünftig über additive Fertigungsprozesse auf das Konto von Lichtbogenschweißsystemen geht. Es sei zwar nicht von der Hand zu weisen, dass sich über das Lasersintern respektive das Laserauftragschweißen sehr filigrane Formen erzeugen lassen, doch muss man sich auch die Frage stellen, ob ein derart aufwendiger Herstellungsprozess in allen Fällen seine Berechtigung hat.

„Robuste Bauteile oder Leichtbauteile mit größeren Abmessungen sind bereits ein Fall für die Robotertechnik in Kombination mit einem intelligenten Lichtbogenschweißprozess, da sie auch in akzeptabler Geschwindigkeit hergestellt werden können. Kürzere Prozesszeiten, eine Materialausnutzung von bis zu 90 Prozent und die weitaus niedrigeren Anschaffungskosten sprechen nach meiner Auffassung für eine SynchroFeed-Anlage“, äußert sich der technische Direktor bei OTC. Derzeit interessieren sich vor allem Forschungseinrichtungen für die neue Technologie und man arbeitet daran, schweißtechnisch nicht nur aus einer senkrechten Position heraus zu produzieren, sondern künftig auch Schräglagen des Schweißbrenners von rund 30° zu nutzen.

Ralf Goffin

Image

Schweißen

Additiv Schweißen

OTC Daihen Europe erweitert die Palette der additiven Fertigungsprozesse um die Möglichkeit des 3D-Metallschweißens unter Einsatz der Synchrofeed-Technik.

    • Schweißen
Image

Messen

Ab 26.05.: die virtuelle Trumpf-Hausmesse Intech

Intech 2020: Trumpf digitalisiert seine Hausmesse und präsentiert zwischen dem 26. und 29. Mai seine Produktneuheiten "live" auf einer Online-Plattform.

    • Messen
Image

Fügen + Verbinden

Ehla-Verfahren im Mittelstand – eine Erfolgsgeschichte

Wie das mittelständische Familienunternehmen Toolcraft erfolgreich das Ehla-Verfahren einsetzt und sogar schon einen Entwicklungsschritt weiter denkt.

    • Fügen + Verbinden, Beschichten
Image

Verbundmaterialien

3D-Druckverfahren für metallische Verbundwerkstoffe

Zähen, harten Stahl einfach 3D-Drucken statt Schmieden? Dafür hat das Fraunhofer ILT ein additives Verfahren für metallische Verbundwerkstoffe entwickelt.

    • Verbundmaterialien, Werkstoffe